Nach einer langen Nacht des Grübelns, Auswählens und Blut-und-Wasser-Schwitzens ist sie fertig geworden: die Top 10 meiner Lieblingsfilme des vergangenen Jahres in unspezifischer Reihenfolge. Relevant hierfür sind Titel, die ich 1. gesehen habe (ha!), und 2. im Jahr 2013 erstmals in deutschen Kinos aufgeführt wurden.
The Master (USA)
They don't make 'em like that any more. Paul Thomas Anderson beweist nach There Will Be Blood (2007) ein weiteres Mal, dass er nicht nur wahnsinnig viel von Filmemachern wie Scorsese, Altman und Demme gelernt hat, sondern mit seiner Filmkunst längst auf eigenen kreativen Beinen steht. The Master ist so viel mehr als nur die Geschichte eines Scientology-ähnlichen Kults. Er erzählt von Leidenschaft, enttäuschten Träumen und unverhofften Triumphen. Zudem ist er eine Liebeserklärung an die Filmgeschichte sowie die großartige Kinematographie und megalomanische Schauspielkunst vergangener Tage. Johnny Greenwoods dissonant-poetischer Score erledigt den Rest. Ein Meisterwerk.
Berberian Sound Studio (GB)
Wäre unsere Welt gerecht, so wäre Toby Jones nach Erscheinen von Berberian Sound Studio sofort in den Olymp englischsprachiger Kinostars aufgestiegen. Peter Stricklands Ode an den Giallo ist ein extravaganter Mix aus den Filmen Mario Bavas, Dario Argentos und de Palmas Blow-Out - und ist dennoch absolut originell und einzigartig. Ein teuflisches und - seinen britischen Wurzeln zum Trotz - sehr italienisches Vergnügen. Bravo! [unseren Podcast zum Film findet ihr hier]
Zero Dark Thirty (USA)
Ein Film, der völlig zu Unrecht auf den meisten Bestenlisten fehlt - mutmaßlich deswegen, weil er bereits im Jahr 2012 auf US-Kinoleinwänden auftauchte und sich die meisten Kritiker hierzulande nicht mehr an die Kinostarts im Januar des Vorjahres erinnern können. Kathryn Bigelow und ihr Autor Mark Boal machen aus der Jagd nach Osama Bin Laden die 157 kürzesten Minuten des letzten Kinowinters und Jessica Chastain (Take Shelter) endgültig zum Star. Ein Actionthriller mit politischer Aussagekraft ohne Holzhammerrhetorik. Geradlinig. Treibend. Kompromisslos.
Die Jagd (DK)
Mads Mikkelsen beweist wieder mal, dass er der vielfältigste Schauspieler Europas ist. Eben noch Hannibal Lecter, nun ein zu Unrecht der Pädophilie verdächtiger Erzieher. Wie bereits in Das Fest untergräbt Autor-Regisseur Thomas Vinterberg die Erwartungshaltung des Publikums - konsequent bis zur letzten Einstellung des Films. Moral ohne Zeigefinger. Tragik ohne Banalität. Mitgefühl ohne Schmalz. Eine gelungene Gratwanderung.
The World's End (GB)
Edgar Wright und Simon Pegg haben viel zu sagen über das Älterwerden, Alkoholismus, Nostalgie und blaublütige Aliens. Dass man sich einen Filmabend lang blendend aber recht oberflächlich unterhalten fühlt und zwei Tage später noch immer über Aussagen des Films nachdenkt, ist eine Seltenheit. The World's End möchte alles sein - Drama, Satire, Genrefilm, und ein Aufruf zur Toleranz. Und das Unglaubliche ist: es funktioniert. Ein wahres Kunststück.
Room 237 (USA)
Der am meisten missverstandene Film des vergangenen Jahres will nicht über The Shining belehren. Noch will Room 237 die mehr oder weniger haarsträubenden Theorien seiner gesichtslosen Erzähler als finale Antwort auf all die Fragen verkaufen, die wir uns nie über Kubricks Film gestellt haben. Nein, er will Lust darauf machen, an narrativen Oberflächen zu kratzen, über das Kino nachzudenken, und Herz und Hirn für interpretatorische Achterbahnfahrten zu öffnen. Man kann dabei sein oder von außen zugucken. Es liegt an jedem selbst, auf welcher Seite des Vergnügens man steht.
Paradies: Glaube (D/A)
Ich bin mir nicht sicher ob Regisseur Ulrich Seidl die Protagonistin seines Films liebt. Oder ob er zumindest ein anteiliges Verständnis für deren religiösen Fanatismus aufbringen kann. Sicher ist aber: Seidl liebt seine Hauptdarstellerin Maria Hofstätter und bietet ihr eine perfektionistisch inszenierte filmische Bühne, auf der sie die beste darstellerische Leistung ihrer Karriere bietet. Ein Film, der weh tut und doch so wunderschön ist, dass man seinen Blick nicht abwenden kann. Der zweite und beste Teil von Seidls beeindruckender Paradies-Trilogie.
Gravity (GB/USA)
In seinem ersten Film nach über sieben Jahren Pause beweist sich Alfonso Cuarón ein weiteres Mal als sanfter Revolutionär des Blockbusterkinos. Ein Unglück in der Schwerelosigkeit, dramatische Action in Echtzeit, und täuschend echte digitale Doubles für Schauspieler sind für sich genommen nichts Neues. Doch Gravity ist mehr als die Summer seiner Teile: ein inszenatorischer Kraftakt, der den Zuschauer atemlos zurücklässt wie nach 90 Minuten des Herumwirbelns im Schleudergang der Waschmaschine. Und ein hervorragendes Argument für die große Kinoleinwand.
La Grande Bellezza - Die große Schönheit (I)
Paolo Sorrentino macht keine Filme. Er dreht Opern, die so tun als seien sie Filme. Nicht zuletzt weil er Musik einzusetzen weiß wie kein zweiter zeitgenössischer Regisseur. Nach dem im Vergleich zum Rest seines Oeuvres eher schlichten Cheyenne - This Must Be the Place (2011) holt er für für La Grande Bellezza wieder alles aus der cineastischen Trickkiste heraus, was diese zu bieten hat. Alles an diesem Film ist groß. Größer. Am Größten. Und mittendrin das grandiose Chamäleon des Kinos, Tony Servillo, auf dem Zenith seiner Schauspielkunst. Und wer Il Divo gesehen hat, der weiß, was dieses Kompliment bedeutet.
Upstream Color (USA)
Ein knappes Jahrzehnt nach Primer meldet sich Shane Carruth mit einem Werk zurück, dass seine Vorliebe für intellektuelle Spielereien mit einer profunden humanistischen Aussage und poetischen Bildern paart. Ein Film wie ein Traum. Kaum greifbar. Begehrenswert und doch so flüchtig. Amy Seimetz beweist hier und in You're Next, dass dies ihr Kinojahr ist. Nicht einmal die Schweine können sie an die Wand spielen. Ja, ihr habt richtig gelesen.
Weitere Empfehlungen, die es nicht ganz unter meine liebsten zehn Filme des Jahres geschafft haben: Universal Soldier: Day of Reckoning, 12 Years a Slave, Computer Chess, Django Unchained, The Place Beyond the Pines, Du zhan (Drug War), The ABCs of Death, You're Next, The Dark Knight Returns Part 2, Stoker, The Imposter, Spring Breakers, The Lords of Salem, Fast and the Furious 6, "Safe Haven" (in: V/H/S2) und A Field in England.
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