Zum ersten Mal seit meiner ersten online veröffentlichten Kinobestenliste (das war im Jahre 2002) fällt es mir schwer, mehr als einige wenige Kinofilme des vergangenen Jahres als zukünftige Klassiker anzupreisen. Gleichzeitig gerate ich aber auch darüber ins Grübeln, eine Handvoll richtig katastrophaler Schundstreifen zu benennen. Ob das nun an meiner Vorsicht gegenüber schlecht rezensierten Filmen liegt oder einfach nur auf ein Jahr verweist, in dem uns Hollywood und der Rest der Welt mit nicht allzu viel CineMüll
(TM) das Leben schwer machten, vermag ich nicht zu sagen. Im Großen und Ganzen also ein mittelmäßiges Jahr für uns Kinoliebhaber mit verhältnismäßig wenigen Highlights. Ja, der neue Bond war toll. Zugegeben, Scorsese knüpfte mit
The Departed an Glanzleistungen früherer Tage an.
Borat war eine längst überfällige und irrsinnig komische Abrechnung mit den USA und dem Rest der Welt. Und
United 93 war tatsächlich eine eindrucksvolle Aufarbeitung des Themas
9/11. Doch um dies zu wissen, bedarf es wohl kaum meines Blogs. Was ich hingegen im Folgenden tun möchte, ist, auf einige der weniger bekannten Perlen des vergangen Kinojahres hinzuweisen.
Ihr wollt ein echtes Highlight? Ji-Woon Kims
Dalkomhan Insaeng/A Bittersweet Life ist mit Sicherheit ein solches. Das südkoreanische Kino, das man nach einer Schwemme von künstlerischen wie kommerziellen Erfolgen zu Beginn des Millenniums bereits wieder auf dem absteigenden Ast sah, kriegt noch einmal die Kurve und beschert uns mit diesem stilsicheren Mix aus Actionthriller und Tragikomödie den Beweis, das der Blick gen Osten in Sachen Kino weiterhin lohnt. Kims
The Foul King (2000) war es, der mich vor einigen Jahren dem koreanischen Film näher brachte. Seitdem ist der mit Preisen überhäufte Filmemacher mit der wunderbar altmodischen Gespenstergeschichte
A Tale of Two Sisters (2003) aufgefallen und beweist nun erneut, das er in allen Genres zuhause ist. Ich sehe seinem nächsten Werk mit großer Spannung entgegen.
Und wer erinnert sich nicht gerne zurück an die Berlinale im Februar und den großen Aufruh um das wieder erstarkte deutsche Kino? Hans-Christian Schmids
Requiem und seine Rekonstruktion einer auf Tatsachen basierenden Geschichte um den Exorzismus an einer jungen, an Epilepsie erkrankten Frau, vermochte noch einigermaßen zu fesseln. Oskar Roehlers Verfilmung des Houellebecq-Schockers
Elementarteilchen geriet amüsant doch leider viel zu nett (und würde bitte endlich jemand Christian Ulmen mitteilen, dass sein schauspielerisches Talent kaum fürs Provinztheater ausreicht, geschweige denn für die große Leinwand!). Matthias Glasners
Der freie Wille war eine dreistündige Zumutung, prätentiös bis zum gehntnichtmehr und dabei häßlich bebildert. Einzig Jürgen Vogels hedonistische doch zumindest intensive Darstellung des Vergewaltigers Theo rettete den Film vor dem totalen Absturz. Bleibt nur Valeska Grisebachs
Sehnsucht als einzig wirklich funkelnder Stern am deutschen Kinofirmament des letzten Jahres. Ihr semidokumentarisches Drama berührte und betrat dank wunderbarer Laiendarsteller auch inszenatorisch Neuland. Mehr davon!
Und nun ab nach Hollywood... oder zumindest in die Nähe der Filmmetropole. Das letzte Jahr war reich an kleinen Independent-Produktionen aus den USA, die den Großen im Business meist qualitativ den Rang abliefen. Erstaunlicherweise war recht wenig Horrorschund darunter, eine doch erfreuliche Trendwende nach den blutgetränkten Debütwerken von Eli Roth, James Wan, Rob Zombie und Co., welche das Indie-Kino der letzten Jahre prägten. Da wäre zunächst einmal
Brick zu nennen, Rian Johnsons an einer Highschool spielende Homage an den klassischen Film Noir. Zugegeben, es bedarf einiger Gewöhnung, den Protagonisten im Teenageralter beim Murmeln von an Bogart und Bacall erinnerender Dialoge zuzuhören, doch schon bald ist man komplett eingenommen vom schwarzhumorigen Drehbuch und den überwiegend brillanten Darstellern. Zwar kommt nicht jeder dieser an die Leistung Joseph Gordon-Levitts (
Mysterious Skin) heran, doch sollte man sich hierdurch und eine gelegentlich die nötige technische Finesse vermissen lassende Inszenierung nicht den Spaß verderben lassen. Ebenso wie Rian Johnson gilt es auch, Noah Baumbauch im Auge zu behalten. Rein technisch ist
The Squid and the Whale kein Debüt für den Co-Autor von
The Life Aquatic with Steve Zissou (2004), doch das erste Werk, welches komplett die Handschrift Noah Baumbachs trägt. Teilweise etwas zu sehr dem ach-so-schicken Trend des "
Postmodern Whimsy" (nicht meine Erfindung!) à la
The Royal Tenenbaums (2002),
Lost in Translation (2003) und
Eternal Sunshine of the Spotless Mind (2004) verhaftet, ist der Film doch letztendlich eine weitgehend gelungene Beschäftigung mit dem Themen Familie, Tennung und Neuanfang. Etwas weniger feinfühlig nimmt sich auch das Debüt der Werbefilmer Valerie Faris und Jonathan Dayton,
Little Miss Sunshine, dieser Themen an. Empfehlenswert ist das leicht nervige und mit etwas zuviel Kritikerlob überhäufte Filmchen aber allemal.
...und am Montag reisen wir ans andere Ende der Welt, um einen Blick auf den besten Film des vergangenen Jahres zu werfen.