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Mittwoch, 29. November 2006

King Kong - Special Edition (USA 1933) - Review [R1]

Mit Fay Wray, Robert Armstrong, Bruce Cabot u.a.
Musik: Max Steiner
Effekte und Miniaturen: Willis O’Brien
Buch: Merian C. Cooper, Edgar Wallace
Produktion: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack, David O. Selznick
Regie: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack




Did you ever hear of… Kong?
Gut 70 Jahre nach der Erstaufführung von King Kong (1933) kennt wohl jeder zwischen 8 und 88 (oder gar 118) Jahren Ernest B. Schoedsacks und Merian C. Coopers legendären Gassenfeger um das neben Godzilla wohl berühmteste Filmmonster aller Zeiten. Wie auch Vom Winde verweht (1939), Casablanca (1943), Ist das Leben nicht schön? (1946) und Der Zauberer von Oz (1939) gehört der Abenteuerklassiker zur kleinen Gruppe legendärer Hollywoodstreifen, der sich selbst Kinomuffel kaum entziehen können. Im Gegensatz zu oben genannten Werken will Kong jedoch in erster Linie ein lautes Spektakel erster Güte sein, ein Actionfilm für eine damals junge Generation von Kinogängern, deren Lust auf oberflächliche Thrills größer ist als das Verlangen nach Drama, Intrigen, Romantik und sensibler Charakterzeichnung. Tue ich dem Film unrecht, wenn ich ihn als Großvater des heutigen Hollywood-Blockbusters bezeichne? Wohl kaum, denn King Kong schuf die dramaturgischen und technischen Grundlagen, auf die sich noch bis heute fast ein jedes Actionspektakel beruft. Und träumen nicht etwa auch Regisseure wie Steven Spielberg, James Cameron und Peter Jackson von Kong-gleichen Einspielergebnissen und Massenaufläufen hysterisch begeisterter und vom Leinwandgeschehen verblüffter Kinogänger? In unserer weitgehend von Digitaleffekten entzauberten Kinolandschaft wirkt King Kong wie Balsam auf die Wunden der Filmfans, die sich nach einem Stück verlorener Authentizität im Kino zurücksehnen. Cooper, Schoedsack und Effektzauberer Willis O’Brien beweisen mit ihrem Werk, dass Pioniergeist, Geduld und Spucke manchmal alles ist was es braucht, um Filmgeschichte zu schreiben.

Zum Plot: Filmemacher Carl Denham (Robert Armstrong) beschließt, seinen neuesten Film auf einer in unbekannten Gewässern gelegenen Insel zu drehen und durch das Engagement der schönen Ann (Fay Wray) auch sein Studio zufrieden zu stellen, das nach einer romantischen Note verlangt. Captain Jack Driscoll (Bruce Cabot) ist der Mann fürs Grobe, der die Filmcrew sicher zum mysteriösen Eiland schippern soll und nach einigem Macho-Getue („Harrrr, Frauen haben auf einem Schiff nichts zu such…. Arrrgh!“) natürlich sogleich der blonden Hauptdarstellerin verfällt. Nachdem die weißen Eindringlinge die Insel erkundet haben und dabei gleich auch eine Opferzeremonie für den König der dunkelhäutigen Eingeborenen unterbrechen, entführen diese in der folgenden Nacht Ann aus ihrem Schiffsquartier. Zu spät bemerken Denham und Driscoll, dass die holde Dame verlustig gegangen ist und mittlerweile an einen Opferbaum gefesselt darauf warten muss, dem haushohen Menschenaffen Kong als Mitternachtssnack zu dienen.



Warum verfällt die bezaubernde Ann dem misogynen Captain, der sich herzlich für Frauen an Bord eines Expeditionsschiffes begeistern kann, so unvermittelt? Wie haben es die Eingeborenen geschafft, den übermächtigen Kong über Jahrzehnte (Jahrhunderte?) erfolgreich in seinem Gehege gefangen zu halten? Wie gelangt ein tonnenschwerer Riesenaffe auf einem kleinen Kahn ins tausende Meilen entfernte New York? Nun ja, wer Wert auf Logik legt, sieht sich wahrscheinlich ohnehin selten Filme über Riesenaffen und Saurier an. Zugute halten muss man den Regisseuren und Autoren (darunter Edgar Der Mönch mit der Peitsche Wallace), dass sich diese narrativen Schwächen erst lange Zeit nach Betrachten des Streifens offenbaren. King Kongs gut 100-minütige Laufzeit lässt nämlich kaum Zeit zum Nachdenken, vor allem nicht nach der Entführung Anns durch Kong. Die folgende Nonstop-Serie von überragenden Spezialeffekten, gepaart mit innovativen Soundeffekten und der pompös-dramatischen Musikbegleitung Max Steiners, lässt moderne Filmemacher blass aussehen, die sich in vergangenen Jahren (vor allem zu Beginn der digitalen Revolution in Hollywood) mit der Anzahl oder Dauer ihrer vergleichsweise kurzen Effekteinstellungen brüsteten. Die Leistung Schoedsacks, Coopers und „Obie“ O’Briens, der sich für die revolutionäre Kombination von Stop-Motion-Animation mit Rückprojektionen und Matte Paintings verantwortlich zeigte, lassen tricktechnische Wunderwerke der 90er wie z.B. Jurassic Park (1993) mit seinen drei oder vier Minuten digitaler Echsen meilenweit hinter sich. Es ist faszinierend, sich auszumalen, welche emotionale Achterbahnfahrt das Effektgewitter Kongs im Jahre 1933 in den Zuschauerrängen der Lichtspielhäuser ausgelöst haben mag.

Neben O’Brien ist Steiners musikalische Untermalung insbesondere bemerkenswert. Nie zuvor wurde in Hollywood ein Score komponiert, der sich am unmittelbaren Leinwandgeschehen orientiert und nicht etwa allein aus dem Fundus an Archivmusik (in dem Steiners Kompositionen ebenfalls gut vertreten waren) speist. King Kongs Musik war schon immer mein Lieblingsaspekt in diesem Film, der vor liebenswürdigen Details nur so überläuft. Man beachte die subtilen Gesten Kongs, etwa seine kindlich-naive Verwunderung über die eigene Kraft nach der Zertrümmerung des T-Rex-Schädels oder das Pflücken einiger Blumen für die verstörte Ann, die zur selben Zeit wieder mal von urzeitlichem Viechzeugs attackiert wird. Klingt nicht auch der Sound des peitschenden Saurierschwanzes einfach nur verdammt cool? Und sind das nicht etwa Cooper und Schoedsack, die am Ende des Films in einer kurzen Einstellung vom Flugzeug auf das von ihnen kreierte Monster Maschinengewehrsalven abfeuern? King Kong belohnt wiederholtes Ansehen mit solchen Entdeckungen und ist ein filmisches Pionierstück, an dem die Jahre mit Sicherheit nicht spurlos vorbeigezogen sind, das aber auch heute noch bezaubern kann. Wie ein guter magischer Trick eben: zeitlos.


Bild:
Das Originalnegativ des Films ist seit Jahrzehnten verschollen und was den Restauratoren hier vorlag, ist eine gute Kopie der originalen 1933er Schnittfassung, bevor sie im Zuge der Einführung des Production Codes um einige Minuten zensiert wurde. Der Transfer ist makellos, das Bild besitzt eine altersgemäß starke Körnung und nur einige komplizierte Effektaufnahmen weisen leichte Verschmutzungen auf. Insgesamt eine superbe Restauration, die wohl aufgrund des fehlenden Originalnegativs nicht verbesserungsfähig ist und qualitativ alle weltweit auf DVD erhältlichen Fassungen Kongs hinter sich lässt.

Ton:Unspektakulär und glasklar, das sind wohl die zwei Adjektive, die den Sound am besten umschreiben. Wie rausch- und verzerrungsfrei der hier vorliegende 1.0-Ton unseren Ohren pläsiert, weiß man wohl erst dann richtig zu schätzen, wenn man sich zum Vergleich die bisher erhältlichen, krummeligen Knistersoundtracks anhört (das klingt jetzt technisch sehr versiert, oder?). Die innovativen Soundeffekte und der pulsierende Score Max Steiners (inklusive 4-minütiger Ouvertüre!) kommen voll zur Geltung und bis auf ein paar dumpfe Stellen in den Dialogen kann man dieser Veröffentlichung ohne Zweifel Referenzqualität bescheinigen.

Untertitel:Untertitel stehen zur Verfügung in Englisch, Französisch und Spanisch.

Extras:Okay, bringen wir die große Enttäuschung inmitten dieses hervorragenden Sets an Bonusmaterial erst einmal hinter uns: Der Audiokommentar von Ray Sindbads siebente Reise Harryhausen und Ken Star Wars Ralston ist zwar angenehm geschwätzig doch von geringem Informationswert. Wer nach mehr als einer zweistündigen Huldigung der Talente Willis O’Briens verlangt, dem sei Harryhausens Kommentar zur ebenfalls bei Warner erschienenen Mighty Joe Young (1949)-DVD ans Herz gelegt.

Auf eine Trailergallerie folgt dann die 90-minütige Doku I’m Kong: The Exploits of Merian C. Cooper, die sich mit der Autobiographie des abenteuerlustigen Regisseurs beschäftigt. Neulinge im Kong-Universum werden erstaunt sein ob der zahlreichen Ausschnitte aus Coopers Expeditionsfilmen und der Erkenntnis, wie sehr im die Figur des Carl Denham gleicht.

Das Highlight dieser Veröffentlichung ist sicherlich die von Peter Jacksons Wingnut Films produzierte Dokumentation RKO Production 601: The Making of Kong, Eight Wonder of the World. In sieben Kapiteln beleuchtet das mehr als zweieinhalbstündige Werk mit Unterstützung von Filmwissenschaftlern, Fans und Filmprominenz jedes triviale und weniger triviale Detail zur Entstehung und Rezeption des Films. Hauptattraktion des Spektakels ist die Wiederbelebung der 1933 nach Testvorführungen aus dem Film entfernten Spider Pit Sequence, die Jacksons Weta-Team um Richard Taylor mit Hilfe klassischer Animationstechniken rekonstruiert. Eine detaillierte Beschreibung der Effektsequenz würde nur den Überraschungseffekt mindern, daher sei nur so viel gesagt: Die liebevolle Arbeit der Neuseeländer in diesem Segment hebt eine sowieso schon extrem detaillierte und unterhaltsame Dokumentation in den Olymp ihrer Gattung und darf sich mit The Cuttig Edge: The Magic of Movie Editing auf der im August letzten Jahres erschienenen Special Edition von Bullitt (1968) den Preis als bestes DVD-Feature des Jahres 2005 teilen.

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Auf einer Skala von Hervorragend - Sehr gut - Gut - Okay - Mäßig - Schlecht
Film: Hervorragend
Bild: Hervorragend (1.33:1 Fullscreen)
Ton: Sehr gut (Englisch mono 1.0)
Extras: Hervorragend (AK von Ray Harryhausen und Ken Ralston, 2 Dokumentationen: RKO Production 601: The Making of Kong, Eight Wonder of the World, und I’m Kong: The Exploits of Merian C. Cooper, Trailergallerie)


Freitag, 6. Januar 2006

Best of 2005 - Die besten DVD-Veröffentlichungen des Jahres: Teil II


Danger: Diabolik (I/F 1968) [R1]

Und noch ein Bava: Dieses Jahr dürften Fans des Maestro des gepflegten Grusels im Freudentaumel hin- und herschunkeln. Nicht nur ist die Bava-Reihe von E-M-S qualitativ hochwertig produziert, sondern auch noch für Cinephile mit kleinem Geldbeutel erschwinglich. Eine weitere tolle Veröffentlichung ist die US-DVD von Danger: Diabolik, einem wahnwitzigen Ausflugs in das Reich der Fumetti (i.e. Comics). Dank tollem Bild, Ton, Ausstattung und nicht zuletzt aufgrund des Preises von nur ein paar Dollar ist Paramounts Veröffentlichung das Schnäppchen des letzten Jahres. Mein ausführliches Review verrät mehr.


The Wizard of Oz (USA 1939) [R1]

Als ich bereits dachte, Warner könne seinen 2004er Output an tollen Filmen in nicht minder toller Verpackung kaum noch toppen, da belehren sie mich eines besseren: Eine 4-Disc Deluxe Edition von Ben-Hur (1959), edel ausgestattete Sammlereditionen von The Wizard of Oz (1939) und King Kong (1933), tolle Noir-, Gangster-, Comedy-, Musical-Boxsets und dazu das komplette Schaffen Val Lewtons in einem schicken Schuber. Für Januar und Februar 2006 stehen bereits ein Nachschlag zum ersten Controversial Classics-Set und die langerwartete Sam Peckinpah-Box in den Startlöchern. Dass meine Wahl für die beste Veröffentlichung ausgerechnet auf das psychedelische Meisterwerk (IMHO) The Wizard of Oz gefallen ist, mag da Zufall sein. Alle zuvor genannten Warner-Titel sind absolut empfehlenswert und lassen das Allerbeste für 2006 erhoffen.


Oldboy (Südkorea 2003) [R2]

Aus mir nicht einleuchtenden Gründen streiten sich derzeit die Kritiker, welcher Teil von Chan-Wook Parks Rache-Trilogie nun der Beste sei. Dabei besitzen Sympathy for Mr Vengeance (2001), Oldboy und Sympathy for Lady Vengeance (2005) doch jeweils ganz eigene Qualitäten. Mr Vengeance ist ein leise dahinköchelndes Rachedrama voll brutaler Eruptionen, Oldboy ein lautes Spektakel bzw. Mindfuck ganz im Stile von David Finchers Fight Club (1999), und Lady Vengeance ein perfides Verwirrspiel, das die Erwartungshaltung der Zuschauer auf die Probe stellt. Den Briten von Tartan glückte die weltweit schönste DVD-Veröffentlichung von Parks internationalem Hit aus dem Jahre 2003. Das Bild ist klar, der DTS-Sound satt und informative (und erstaunlich witzige) Audiokommentare verraten so ziemlich alles, was man je über die Dreharbeiten zu erfahren hoffte. Die kurzen Dokus geben einen informativen Einblick in das Schaffen Parks und die südkoreanische Filmszene, wo Regisseure auch schon mal wie Rockstars gefeiert werden. Yeah!

Donnerstag, 22. Dezember 2005

Best of 2005 - Die besten DVD-Veröffentlichungen des Jahres: Teil I

Da glaubte ich bereits Ende 2004, dass so ziemlich jeder halbwegs populäre Titel mittlerweile auf der allseits beliebten Silberscheibe veröffentlicht worden wäre, und wurde dieses Jahr doch wieder mal überrascht von einigen Kuriositäten und Klassikern, die plötzlich erstmals oder in neuem Gewand ihren Weg ins digitale Heimkino-Zeitalter fanden.

Leider warte ich immer noch vergebens auf ein angemessenes Release der Mr. Moto-Reihe (1937-1939) mit Peter Lorre. Ein finaler Director's Cut von Blade Runner (1982) schlummert wohl weiterhin im Keller Ridley Scotts, bis die rechtliche Lage sich geklärt hat. Der 3-stündige Schnitt von Kill Bill (2003), eine Neuauflage von Dune (1984) und die zweite Staffel Twin Peaks stehen uns wohl Ende nächsten Jahres ins Haus. Und Warner erfüllt bereits im Januar einen meiner größten Wünsche mit einer Special Edition-Neuauflage von Peckinpahs Meisterwerk The Wild Bunch (1968). Der europäische Film der 60er und 70er ist inzwischen ordentlich auf DVD vertreten, auch wenn man fast immer auf Importe zurückgreifen müssen. Hoffen wir mal, dass E-M-S' Bava-Reihe sich (verdientermaßen) gut verkauft und weitere Werke des Regisseurs bald auch im deutschen Handel zu finden sind.


The Bird with a Crystal Plumage (I 1970) [R1]

Dario Argentos Debüt ist als solches nur schwer zu erkennen. Geradezu meisterhaft souverän erzählt er eine klassische giallo-Story um einen psychopathischen Mörder und dessen Verfolger in Anlehnung an Antonionis Blow-Up (1966) und Bavas Blutige Seide (1964). Das Ergebnis ist ein gleichermaßen spannender wie auch amüsanter Thriller, der Dank gut aufgelegter Darsteller wie Tony Musante, Suzy Kendall und Mario Adorf als Katzenliebhaber (ugh!) und innovativer Kameratricks verdientermaßen Kultstatus und auch kritische Wertschätzung genießt. Blue Undergrounds Veröffentlichung ist ein Traum: Tolles Bild, Audiooptionen in Hülle und Fülle (inkl. Originalmix und englischem DTS6.1) und delikates Bonusmaterial wie z.B. ein Audiokommentar mit Argento-Spezi Alan Jones und Plappermaul Kim Newman und diverse Interviews mit Vittorio Storaro, Ennio Morricone, Argento höchstpersönlich und einer griesgrämigen Eva Renzi ("Sei ruined mai cariäar!"). Friede ihrer Asche... und ein dickes Lob and Blue Underground.

Die Stunde wenn Dracula kommt (I 1960) [R2]
Da gelingt es E-M-S tatsächlich, mit ihrer Bava-Reihe sämtliche internationalen Mitbewerber in Sachen Qualität auszustechen. Der Schwarzweiß-Klassiker aus den Händen des italienischen Meisters sah noch nie so gut aus und wurde wirklich liebevoll fürs DVD-Format aufbereitet. Gothischer Horror in schaurigen Burgen, die gruselig sexy Barbara Steele und Bavas einzigarte Poesie in Sachen Kinematographie und Farbdramaturgie sind Elemente, die diesen Film so zeitlos erscheinen lassen (wobei nur der dümmliche deutsche Titel von La maschera del demonio noch störend wirkt). Die Jungs von E-M-S vereinen mit dieser Veröffentlichung das Beste beider Welten: ein neues, exzellentes Remaster des Films mit allen wichtigen Sprachfassungen (italienisch, englisch, deutsch) und alle Extras der nordamerikanischen (und audiovisuell üblen) VCI-DVD. Neben einem informativen Audiokommentar von Tim Lucas gibt's Trailer, internationale Vorspänne und sogar ein beiliegendes Comicheft. Über dessen Qualität kann man streiten, nicht aber über den Preis. Für rund €13 ist dies eines der Schnäppchen des Jahres!

Jules et Jim (F 1962) [R1]
Endlich! Endlich! Nach jahrelangen Gerüchten und mehrmaligem Verschieben des Veröffentlichungstermins liegt sie nun vor uns, die Criterion-Ausgabe des Nouvelle Vague-Meisterwerks Jules et Jim. Francois Truffauts Film erzählt von einer tragisch verlaufenden Dreiecksbeziehung zwischem den Freunden Jim (Oskar Werner), Jules (Henri Serre) und der schönen Catherine (Jeanne Moreau) im Frankreich der Jahrhundertwende. Leichtfüßig zwischen Ironie und Tragödie tänzelnd nimmt uns der Regisseur mit auf eine Reise durch intellektuelle Zirkel und emotionale Abgründe. In wunderschönen Scope-Bildern und von einem der besten Scores aller Zeiten (Komponist: Georges Delerue) begleitet ist dies eines der wenigen filmischen Werke, welches die literarische Vorlage von Henri-Pierre Roché nicht nur schon während der Eröffnungsmontage vergessen lässt, sondern sie gar übertrifft (ähem... meine Meinung). Die Criterion-Disc bietet ein unschlagbar brillantes Bild und einen glasklaren Sound. Die Extras erzählen uns mehr über die tatsächliche Geschichte hinter Rochés Roman, es gibt Interviews mit Mitarbeitern sowie Kritikern und einen hervorragen Audiokommentar mit der bezaubernden und schlagfertigen Jeanne Moreau. Ein gewohnt tolles Booklet und geschmackvolles Cover-Artwork sind bei Criterion ja bereits Standard, sollen hier aber dennoch nochmal lobend erwähnt werden.
Teil 2 der "Best of 2005"-DVDs in Kürze...

Donnerstag, 15. Dezember 2005

Weihnachten naht... und Peter Jacksons King Kong (2005) rettet meinen Glauben an den Hollywood-Blockbuster

Ich sitze gerade an den letzten Zeilen meines Reviews zur neuen R1 Special Edition von King Kong (1933). Der gestrige Kinobesuch von Peter Jacksons Remake gab mir dann doch genug Antrieb, auch meinen Senf zum vielgeliebten und -rezensierten Original zu geben. Morgen oder Samstag dürfte mein kritischer Erguß dann auf diesen Seiten zu finden sein.



Jacksons Kong fällt es erwartungsgemäß sehr schwer, mit Coopers und Schoedsacks Original zu konkurrieren. Im heutigen Zeitalter von CGI ist eben visuell fast alles möglich und unsere verwöhnten Äuglein so mittlerweile an spektakuläre Bilder gewöhnt. Glücklicherweise beherrscht der vom Hobbit zum kraushaarigen Ringo Starr-Verschnitt abgespeckte Regisseur die Kunst des Spezialeffektkinos meisterhaft. Der neue Kong ist seine bisher rundeste Kreation, sogar noch ein bisschen überzeugender als der schon nahezu perfekt umgesetzte Gollum im zweiten und dritten Teil der Herr der Ringe-Trilogie (2001-2003). Das Gerangel des Riesenaffen mit einem T-Rex-Trio(!!!) wirkt ebenso realistisch und mitreißend wie die subtileren Momente zwischen Naomi Watts und Kongs finaler Exitus auf der Spitze des Empire State Buildungs. Dass Jacksons WETA-Team mit Hilfe von Kollege Computer und ausgefeilten Miniaturen einen überzeugenden Dschungel samt Urzeitviechern aus dem Boden stampfen könnte, daran hatte ich nach deren Ausflug nach Mittelerde keine Zweifel. Das wahre Meisterstück jedoch ist die Rekonstruktion des New Yorks der 30er Jahre, ein photorealistisch und im Wechsel liebevoll und dramatisch von digitalen Kameras umkreistes Gesamtkunstwerk. Bravo!


Dass das Drehbuch weniger ausgereift ist als man es von Regisseur gewohnt ist, ist dank atemberaubender Nonstop-Action und ausgezeichneter Darsteller zu verkraften. Natürlich dürfen einige klassische One-liner nicht fehlen ("It was beauty that killed the beast"), doch das Gros der Dialoge basiert auf Philippa Boyens', Fran Walshs und Jacksons eigenem Drehbuch nach der 33er Vorlage von Cooper und Edgar Wallace. Watts, Jack Black, old Newcomer Jamie Bell (Billy Elliot) und natürlich Andy Serkis schlagen sich hervorragend, nur Adrien Brody wirkt als triefäugiger Actionheld deplaziert. Zwar verstehe ich die Motive des Autorenteams, Jack Driscoll vom raubeinigen Captain zum sensiblen Autoren zu updaten (Immerhin haben wir 2005 und vor Machismo triefende Actionhelden sind schon lange out!), doch führt dies zu mehr als unglaubwürdigen Momenten, wenn unser netter Geek zur Halbzeit des Films in einen athletischen Kämpfer und schlußendlich strahlenden Helden mutiert. Ein Wandel, der in Cronenbergs Die Fliege (1986) gerechtfertig war, hier aber bei mir nur Stirnrunzeln auslöste.

Nichtsdestotrotz: Die Neuauflage King Kongs ist der beste Hollywood-Blockbuster dieses Jahres. Der unanfechtbare Beweis, dass man auch im Zeitalter Michael Bays, Rob Cohens und Jerry Bruckheimers noch spektakuläre Geschichten erzählen kann, ohne Plot und Charaktere dem lauten Getöse zum Fraß vorzuwerfen. Und das ist schon mal so einiges wert!


P.S.:
Fans des Originals dürfen sich auf ein Vielzahl von Anspielungen auf Coopers und Schoedsacks King Kong freuen. Und wer wissen will, was aus dem "Sumatran Rat Monkey" aus Jacksons Braindead (1992) geworden ist, der sollte ebenfalls die Augen offen halten.

Sonntag, 11. Dezember 2005

Danger: Diabolik (I/F 1968) - Review [R1]

Mit John Phillip Law, Marisa Mell, Michel Piccoli, Adolfo Celi, Terry Thomas u.a.
Musik: Ennio Morricone
Kamera: Antonio Rinaldi
Produktion: Dino De Laurentiis, Bruno Todin
Buch: Mario Bava, Brian Degas, Tudor Gates, nach Diabolik von Angela und Luciana Giussani
Regie: Mario Bava



Mario Bavas Ausflug in die Welt der Comics ist ein immens vergnügliches Juwel des europäischen Films der 60er Jahre. Erstmals veröffentlicht wenige Jahre nach dem Erfolg der französischen Fantomas-Verfilmungen und kurz nach dem Start der verkitscht-albernen Batman-Fernsehserie mit Adam West, markiert Danger: Diabolik zusammen mit dem fast gleichzeitig erschienenen Barbarella (1968) den Höhepunkt des Comicfilm-Booms dieser Ära. Basierend auf den damals (und bis heute) in Italien sehr populären Fumetti von Angela und Luciana Giussani inszeniert der Maestro des Horrors einen herrlich überdrehten Trip in eine Welt voller größenwahnsinniger Schurken, trotteliger Polizisten und sexy Damen.

John Phillip Law spielt Diabolik, einen genialen Meisterdieb, der sich ebenso wie viele Bond-Bösewichter nicht mit Kleinigkeiten wie Handtaschenraub und simplen Banküberfällen zufrieden gibt, sondern die Herausforderung sucht. In der Eröffnungsszene sehen wir ihn beim Raub des (wie eine Figur am Rande kurz zuvor betont) "größten Barvermögens, das jemals auf öffentlichen Straßen transportiert wurde". Doch dies dient nur als Appetizer für Diaboliks spätere Coups, die an Finesse, Dramatik und Actiongehalt stetig zunehmen. Böse Zungen würden behaupten, seine Geliebte und Komplizin Eva (Marisa Mell) sei es, die ihn dazu antreibt, sein Leben wieder und wieder für Unmegen an Barem und Juwelen auf's Spiel zu setzen. Geld scheint das ultimative Aphrodisiakum in dieser Beziehung zu sein, der erst in den letzten, tragikomischen Momenten des Films eine gewisse Ernsthaftigkeit zuteil wird.

Alle Coups des zum Helden stilisierten Kriminellen bereits hier zu nennen wäre dem erstmaligen Sehgenuss dieses Streifens sicher nicht zuträglich. Der materielle Schaden, den Diaboliks Gegener erleiden müssen (ganz zu schweigen von mutmaßlich tausenden Menschenleben, die in einer kurzen, wahrhaft diabolischen Sequenz ausgelöscht werden), ist jedenfalls enorm und nur der Charme der Charaktere und Hauptdarsteller hält uns davon ab, Eva und Diabolik nicht als kaltblütige Terroristen sondern als sympathische Antihelden zu akzeptieren. John Phillip Law bietet als titelgebender Held eine starke darstellerische Leistung indem er seine Gestik und Mimik während seiner zahlreichen Streifzüge ins comichafte überhöht und in den ruhigeren Momenten des Films kalt, beinahe stoisch wirkt. Die kühle Fassade Laws schmilzt allein in den romantischen Momenten mit Marisa Mell dahin, die bis zur Halbzeit des Films größtenteils als erotische Staffage dient und erst später aktiver in die Handlung eingreift. Ihre einfallsreich gestalteten Kostümchen enthüllen jedenfalls mehr als sie verbergen und Mell trägt sie mit würdevoller Laszivität zur Schau. Eine vielschichtigere Charakterisierung unserer Protagonisten wäre in einem Spektakel wie Danger: Diabolik auch wirklich fehl am Platz.


Technisch versiert von Mario Bava (der auch am Drehbuch mitschrieb) in Szene gesetzt bietet Danger: Diabolik einen Vorgeschmack auf die überbordende Comic-Ästhetik Barbarellas und Mike Hodges' Flash Gordon. Man tut diesem actiongeladenen und mit wunderschönen Matte Paintings und einigen weniger wunderschönen Rückprojektionen geadelten Werk beinahe Unrecht, wenn man sein Budget von nur $400.000 herbeizitiert. Tatsächlich sieht man dem Film in fast keinem Augenblick die sparsame Hand Bavas an, der in den Jahren vor Danger: Diabolik bereits zahlreiche Horrorfilme mit einem Bruchteil dieses Betrags vollendet hatte. Neben Spezialeffekten, Verfolgungsjagden per Auto, Zug und Helikopter bleibt ihm aber immer noch Zeit für den ein oder anderen klassischen Bava-Moment, so z.B. als er eine denkwürdige Nahaufnahme von Christopher Lees nach seiner Geliebten greifenden Hände in La Frusta e il Corpo beinahe eins zu eins wiederverwendet. Die Beteiligung Ennio Morricones kam durch den einflußreichen Produzenten Dino De Laurentiis zustande und sein Score verleiht dem Film eben den finalen Touch Grandezza, der Danger: Diabolik aus der Obskurität hervorhebt und ihn hoffentlich bald so populär macht, wie es ihm zusteht. Die leichtfüßig-verspielten Melodien verlocken zum Mitsummen. Und der Titelsong Deep Deep Down dürfte jedem, der den Film gesehen hat, noch für viele Wochen in den Gehörgängen nachklingen.



Bild:Das Bild wurde zwar nicht restauriert, die vorhandenen Filmelemente liegen aber in bestmöglicher Qualität vor. Einige Einstellungen mit Spezialeffekten weisen starke Verunreinigungen auf, für einen Film dieses Alters ist die Videoqualität insgesamt jedoch erstaunlich gut und der DVD-Transfer nahezu perfekt.

Ton:
Die hier vorliegende englische Tonspur in mono 2.0 wird zwar keinen Surroundfetischisten vom Hocker reißen, bietet aber adäquate akkustische Begleitung für einen Film dieses Alters. Die Synchronisation ist weitestgehend gelungen und erspart sich krampfhaft witzige comic voices für die Nebendarsteller, wie sie offensichtlich bei der Erstveröffentlichung Verwendung fanden. Da sich die Hauptdarsteller selbst synchronisierten ist auch die Nichteinschließung des italienischen Soundtracks verzeihlich.

Extras:
Der Audiokommentar mit Hauptdarsteller John Phillip Law und Bava-Experte Tim Lucas ist amüsant und hält gekonnt Balance zwischen dem Erzählen von Anekdoten und der Vermittlung technischen Know-Hows. Die sehr amüsante und informative Doku From Fumetti to Film erzählt mit Hilfe von Comic-Historikern und prominenter Fans die Entstehungsgeschichte Diaboliks und enthält sogar Interviews mit Produzent De Laurentiis und Ennio Morricone. Der Kinotrailer verrät wieder mal viel zu viel über den Plot und das von Danger: Diabolik inspirierte Musikvideo Body Movin' der Beastie Boys (mit optionalem AK von Adam Yauch) rundet ein liebvoll zusammengestelltes Set an Extras ab. Ein Bravo! an Paramount für diese vorbildliche DVD-Umsetzung.



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Auf einer Skala von Hervorragend – Sehr gut – Gut – Okay – Mäßig – Schlecht
Film: Hervorragend
Bild: Sehr gut (1.85:1 anamorphic widescreen)
Ton: Sehr gut (Englisch DD 2.0 mono)
Extras: Sehr gut (Audiokommentar von John Phillip Law und Tim Lucas, Dokumentation, Kinotrailer, Musikvideo)

Donnerstag, 3. November 2005

Singin' in the Rain (USA 1952) - Review [R2]

Mit Gene Kelly, Debbie Reynolds, Donald O’Connor, Jean Hagen und Cyd Charisse
Musik: Arthur Freed (Texte) & Nacio Herb Brown (Orchestrierung)
Buch: Adolph Green & Betty Comden
Produktion: Arthur Freed
Regie: Stanley Donen und Gene Kelly


Warum nicht auch mal auf einen älteren Titel aus meiner DVD-Bibliothek hinweisen? Um’s kurz zu machen: Singin' in the Rain, in Deutschland auch bekannt als Du sollst mein Glücksstern sein, ist das wohl beste MGM-Musical aller Zeiten. Die drei Hauptdarsteller leisten geradezu Außerordentliches und die Musik- und Tanzeinlagen sind ausnahmslos perfekt geschrieben und inszeniert. Dies alles wird auf Warners 2002 erschienener Doppel-DVD präsentiert in perfekt restaurierten Technicolor-Farben, kristallklarem Sound und inklusive einer Auswahl exzellenten Bonusmaterials. Meine Empfehlung: Kaufen!

Ende der Rezension.



„Aber Musicals sind Kinderkram!“

Wenn du Gene Kelly auch nur einmal dabei betrachten durftest, wie er sich leidenschaftlich an die katzengleiche Cyd Charisse heranschmiegt und beide in der wohl spektakulärsten Musicalnummer des Films ein erotisches Feuerwerk entfachen (Ja, richtig gehört: e-ro-tisch), wird Singin' in the Rain sogleich den Platz deiner Emanuelle in Bangkok-DVD im Wandregal einnehmen.

Solltest du dich aber eher von einem mädchenhaften Charme begeistern lassen, so vergiss einfach das Männer verschlingende Raubtier Charisse und wende dein Augenmerk Debbie Reynolds zu. Dieses schelmische Leuchten in den Augen. Diese Leichtfüßigkeit. Diese zerbrechliche Schönheit. Hey, nicht umsonst sind dieser Frau Gene Kelly (beruflich) und Tony Curtis (im Privaten) erlegen.

Und noch etwas zum Thema „Kinderkram“: Singin' in the Rain ist in seiner Darstellung Hollywoods der 20er Jahre ausgesprochen detailliert und pointiert. Zwar ist der Film auch als leichte Komödienkost zu genießen, doch bieten sich für den Cineasten zahlreiche Gelegenheiten, Insiderwitze über hilflose Schauspieler, cholerische Regisseure und Produzenten, und die Oberflächlichkeit der Klatschpresse ausfindig zu machen. Darüber hinaus bietet die Tatsache, dass die Handlung in der Zeit des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm angesiedelt ist, die Möglichkeit, so einiges über den Aufruhr und die resultierenden Problematiken zu lernen, die der Einmarsch des Jazz Singers im Hollywood des Jahres 1927 verursachte.



„Pffffft… Ich bin nicht überzeugt. Bin doch kein Cineast (igitt!) oder so was. Und diese ach-so-subtile Erotik ist doch eher was für Mädels.“

Hast du dich jemals gefragt, warum der DTS-Sound der neuesten Herr der Ringe-Box deine Angebetete kalt lässt? Oder hat sich jemals das Objekt deiner Begierde vom perfekten Digitaltransfer von Rache der Sith beeindruckt gezeigt? Oder hat sie etwa große Augen gemacht, als sie einen Blick auf deine tolle Hellraiser-Puzzlebox geworfen hat?

Wahrscheinlich nicht.

Wie würde sich im Kontrast dazu ein Abend mit der Angebeteten, einer Flasche guten Rotweins und einer Privatvorführung von Singin’ in the Rain bei Kerzenschein entwickeln? Gemeinsames Lachen über die Eskapaden des dynamischen Duos Kelly/O’Connor (zur Lockerung der Atmosphäre), gefolgt vom gemeinsamen Bangen um das amouröse Schicksal dieser Traumpaarung (Sie: „Wird für die beiden wohl alles gut enden? Wie spannend! Darf ich deine Hand halten?“), und schließlich… na ja, wie der Film und der Abend mit der Traumfrau ausgeht, das musst du selbst abwarten. *räusperHappyEndingräusper*

Die Briefmarkensammlung war gestern.



„Also gut, Mädels mit Musicals anzubaggern habe ich nicht nötig. Und was hat so ein Film außer ein paar Tanznummern schon für mich zu bieten?“

Wie wäre es mit Humor? Die größte Stärke des Films – neben seinen perfekt choreographierten Tanz- und Gesangseinlagen – ist der unglaubliche Wortwitz. Die anfänglichen Verbalgefechte zwischen Kelly und Reynolds können es mühelos mit den besten Momenten einer Howard Hawks- oder Billy Wilder-Produktion aufnehmen. Jean Hagen glänzt als Stummfilm-Star, deren Mangel an Intelligenz und einer halbwegs erträglichen Stimme für andauernde Streitigkeiten mit ihrem Regisseur und Amüsement des Zuschauers sorgt. („Into the bush!“) Und diverse Seitenhiebe auf das Leben der Reichen und Schönen in Hollywood wirken auch heute noch so frisch wie vor über 50 Jahren.

Und wenn dir alleiniger Wortwitz nicht reicht, so verweise ich abschließend auf Donald O’Connor. Kellys Sidekick ist ein wandelnder Spezialeffekt, der in Singin' in the Rain mit „Make ’em laugh“ die wohl körperlich herausforderndste Musicaldarbietung leistet. O’Connor spielt Klavier, tanzt, wird niedergeschlagen, prügelt sich mit einem Stoff-Mannequin, läuft Wände hinauf, schlägt Salti und durchbricht schließlich die Studiowand, nur um sich schon Sekunden später strahlend vor dem (imaginären) Publikum mit einem Kniefall zu bedanken. Ach ja, singen und grimassieren tut er noch dazu. All dies geschieht dermaßen leichtfertig als hätte er sich die besten Gene Chico, Harpo und Groucho Marx’ geklaut und in seinen Genpool geworfen. O’Connor ist nicht nur ein begnadeter Tänzer, sondern ein ebenso genialer Komödiant.







„Aber ist das nicht alles furchtbar altmodisch und total überholt?“

Ja, und genau das ist das schöne an diesem Film. Auf den meisten amerikanischen RomComs der letzten Jahre lastet der Fluch postmoderner Ironie. Selten sieht man heute noch ein glückliches Filmpaar, dass sich „einfach so“ verliebt und nicht zuerst durch für beide äußerst peinliche Situationen schreiten muss. Daher mutet es fast bizarr an, wenn Kelly seiner Angebeteten bereits im ersten Drittel des Films seine Liebe im Scheinwerferlicht gesteht bevor er überhaupt die Chance hatte, in einen Apfelkuchen zu onanieren oder der bezaubernden Miss Reynolds mit einem gewissen Körpersekret die Haare zu frisieren.

Eine neuere amerikanische Liebeskomödie, an der ich mich vor kurzem erfreuen durfte, handelte von einem Teenager, der sich in ein gleichaltriges Porno-Starlet verliebt und, im Laufe der mit 130 Minuten überlangen Geschichte, auf dem Wege in ihr Herz (und unter ihren Rock) Misshandlungen seitens ihres Zuhälters und einen desillusionierenden Besuch einer Sexmesse hinter sich bringen muss. Was nach vor knapp 30 Jahren Taxi Driver seinen düsteren Touch verlieh, geht offensichtlich heute als leichte Teen Comedy-Kost durch. Nenn mich konservativ, doch nach all dem Yuck!-Humor im US-Kino der letzten Jahre hat man sich vom brillant unschuldigen Kitsch eines klassischen Musicals wie Singin’ in the Rain beinahe entwöhnt und lässt es daher heute umso frischer und unbekümmerter erscheinen.



„Äh… wie hieß der Film mit der Teeny-Pornodarstellerin doch gleich?“

Stolz und Vorurteil… glaube ich.



Bild:
Warners DVD-Präsentation ist prächtig. Die Reproduktion der intensiven Technicolor-Farben muss die Restauratoren vor große Schwierigkeiten gestellt haben, die sie aber eindrucksvoll gemeistert haben. Bis auf minimale Verschmutzungen in den ersten Minuten ist das Bild perfekt, kontrastreich und die Farben dynamisch. Warners Ultra-Resolution Process (uh-oh!) sei Dank! Singin' in the Rain reiht sich damit in die illustre Gesellschaft von Der Unsichtbare Dritte, Citizen Kane, Meet Me in St. Louis und Der Zauberer von Oz als ein weiterer Warner-Titel ein, dem man sein hohes Alter in keinem Moment ansieht.

Ton:
Dem englischen Ton wurde für diese Special Edition ein neuer 5.1 Surround-Mix spendiert. Der überarbeitete Sound klingt etwas klarer, bleibt der originalen Mono-Tonspur aber weitestgehend treu. Für Puristen gibt es darüber hinaus den Film in mono in den folgenden Sprachen: englisch, deutsch (passable Synchronisation, doch qualitativ meilenweit hinter dem Original) und spanisch.

Untertitel:
Untertitel stehen zur Verfügung in deutsch, englisch, spanisch, schwedisch, norwegisch, dänisch, finnisch, portugiesisch, hebräisch, polnisch, griechisch, türkisch, ungarisch, isländisch, kroatisch, französisch und italienisch. UT für Hörgeschädigte in Deutsch und Englisch.

Extras:
Reichlich. Der Audiokommentar mit Beteiligung von Debbie Reynolds, Cyd Charisse, Kathleen Freeman, Stanley Donen, den Autoren Betty Comden und Adolph Green, Baz Luhrman, dem omnipräsenten Rudy Behlmer und dem kürzlich verstorbenen Donald O’Connor ist ein Muss. Er bietet zum großen Teil dieselben Informationen wie die 30-minütige Doku What a Glorious Feeling auf Disc 2, geht aber weiter in die Tiefe. Wenn nur Zeit für ein Extra bleibt, so würde ich den Kommentar empfehlen.


Die neu produzierte Doku ist routiniert zusammengestellt, verschwendet aber leider zuviel Zeit mit Filmausschnitten. Besser ist da schon das für das amerikanische Fernsehen produzierte, 90-minütige Musicals Great Musicals, das einen guten Einblick in die Filme der Arthur Freed Unit in den 30er, 40er und 50er Jahren bietet.

Besonders interessant sind die Ausschnitte aus früheren Arthur Freed-Produktion, in denen die Songs aus Singin’ in the Rain premierten. Weiterhin gibt es Fotogalerien, Castingaufnahmen mit den Darstellern und noch vieles mehr zu entdecken.


Fazit: Warners 2-Disc Special Edition von Singin’ in the Rain ist auch drei Jahre nach ihrem Erscheinen immer noch DIE Referenz in Sachen Musicals auf DVD.

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Auf einer Skala von Hervorragend – Sehr gut – Gut – Okay – Mäßig – Schlecht
Film: Hervorragend
Bild: Hervorragend (1.33:1 Full Screen)
Ton: Sehr gut (DD 5.1; mono)
Extras: Sehr gut (Audiokommentar, 2 Dokumentationen, Castingaufnahmen, Kinotrailer, Galerien u.a.)

Montag, 24. Oktober 2005

Dominion: Prequel to The Exorcist (USA 2005) - Short Review [R2]

Mehr als die dreieinhalb Absätze der nun folgenden Kurzkritik ist Dominion: Der Anfang des Bösen wirklich nicht wert. Nicht etwa, dass Paul Schraders Urversion der später von Renny Harlin übernommenen Produktion ein wirklich schlechter Streifen ist! Er ist nur in so ziemlich allen Punkten höchst mittelmäßig. Mittelmaß ist schlimm genug. Aber ein mittelmäßiger Schrader ist Grund genug, um Tränen zu vergießen.

Dominion ist Harlins Version der Vorgeschichte zu einem DER Horrorklassiker der 70er zwar überlegen, doch macht er im Vergleich zu dieser nicht den qualitativen Quantensprung, dem ihm so einge US-amerikanische Kritiker zugesprochen haben. Der wunderbare Stellan Skarsgard traumwandelt durch die marrokanische Szenerie, die unterdrückte Leidenschaft Clara Bellars entflammt nur auf Teelicht-Niveau, und Pop-Sternchen Billy Crawford chargiert und grimassiert wild als der vom Teufel besessene Cheche (schlägt sich aber im Großen und Ganzen nicht allzu schlecht). Nur Gabriel Mann als Pater Francis ist mit ganzem Herzen bei der Sache - bevor dieses dann unvermittelt von den Pfeilen Satans durchbohrt wird.




Irgendwie hat man beim Betrachten ständig das Gefühl, diese oder jene Szene schon besser in anderen Filmen gesehen zu haben (vornehmlich natürlich in Friedkins The Exorcist). Die Dali-esken Traumsequenzen wirken unbeholfen und unfertig. Und so manche Entscheidung beim Schnitt ist eher schwer nachzuvollziehen. Vielleicht wollte Schrader aber auch nur von den teils an naive Landschaftsmalerei erinnernden Effekten so schnell wie möglich zu einer Charakterszene überblenden, um den Zuschauer nicht gänzlich der filmischen Illusion zu entreißen. Die schlechten Effekte sind wohl einerseits auf ein niedriges Budget zurückzuführen, in manchen Fällen aber nicht mal damit zu rechtfertigen. Warum z.B. CGI-Kühe, CGI-Hyänen und CGI-Schlangen wenn man doch auch echtes Getier hätte mitspielen lassen können?

Alles in allem hat der Film nichts wirklich Herausragendes zu bieten, daher erspare ich mir auch weitere Kommentare zu Drehbuch, Kamera (Vittorio Storaros schlechteste Leistung seiner langen, beeindruckenden Karriere) und Kostümen. Die DVD jedenfalls bietet ein ziemlich verwaschenes Bild, das für einen deutlich älteren Film eventuell akzeptabel wäre. Der Sound ist klar und frontlastig, doch nur an zwei oder drei Stellen hat man auch mal die Surroundkanäle bemüht (dafür aber umso wirkungsvoller). Schraders Audiokommentar ist neben ein paar Deleted Scenes das einzig nennenswerte Extra. Der Regisseur wirkt nicht besonders euphorisch, wortkarg und betont mehrfach, dass der Film eine Auftragsarbeit und nicht unbedingt ein Herzensprojekt ist. Who woulda thought?!

Sonntag, 23. Oktober 2005

Metropolis (D 1927) - Review [R2]

Mit Brigitte Helm, Alfred Abel, Gustav Fröhlich, Rudolf Klein-Rogge, Theodor Loos, Heinrich George u.a.
Musik: Gottfried Huppertz
Kamera: Karl Freund, Günther Rittau
Produktion: Ufa Berlin
Buch: Thea von Harbou
Regie: Fritz Lang


Fritz Langs legendäres Science Fiction-Epos aus dem Jahre 1927 hat bis heute nichts von seiner Kraft verloren und portraitiert eine Gesellschaft im Aufbruch ins industrielle Zeitalter ebenso sehr wie er prophetisch vor den Schrecken des Nationalsozialismus warnt.

Adolf Hitler benannte einst in maßloser Ignoranz Metropolis als seinen Lieblingsfilm, hatte aber offensichtlich die Kernaussage des Films verschlafen: Mittler zwischen Geist und Händen muss das Herz sein, oder auch: Lasse dich bei deinem Tun von Menschlichkeit und Liebe leiten. Inhaltlich ist Metropolis aufgrund seiner simplen humanistischen Botschaft weit weniger bahnbrechend als in seiner Visualisierung des alptraumhaften Molochs und der auf diesem ruhenden futuristischen Metropole. Tatsächlich folgt die Handlung des Films dem eher klassischen Muster des Kampfes von Gut gegen Böse. Das Kabinett des Doktor Caligari, Nosferatu, und auch Fritz Langs Dr. Mabuse: der Spieler waren insofern weitaus mutiger, als dass sie es wagten, die kriminellen und blutdürstigen Wahnsinnigen ins Zentrum des Geschehens zu rücken und dem Kinozuschauer einen strahlenden Helden (wie im Falle Metropolis der von Gustav Fröhlich dargestellte Freder) vorzuenthalten.

Wie bereits erwähnt sind es die visuellen Finessen, die Metropolis zu einem der stilprägendsten Werke im internationalen Kino werden ließen. Heute fällt es schwer, das Porträt der futuristischen Megacities in Blade Runner und Akira nicht mit Langs Meisterwerk zu assoziieren. Auch Brazils meilenweit in den Himmel ragende Wolkenkratzer und der darunter liegende Röhren- und Tunnelkomplex ist eindeutig von Metropolis geprägt. Die Idee, in künstlichen Gärten inmitten ein von Technik und Industrialisierung dominierten Umwelt Zuflucht zu suchen, zieht sich durch unzählige Science Fiction-Filme und –Serien. Und wer denkt nicht sofort an den besessenen Wissenschaftler Rotwang, wenn Dr. Seltsam in Stanley Kubricks gleichnamigen Film Gefahr läuft, sich in einem Anfall von Wahnsinn selbst zu erwürgen (schwarze Handschuhe inklusive)?

Trotz seiner majestätischen Bilder ist es unklar, wie viel von Fritz Langs ursprünglicher Vision heute noch erhalten ist. Enno Patalas’ informative Doku zur Entstehung des Films zeigt uns Aufnahmen vom Dreh, die wesentlich ambitioniertere Spezialeffekte erahnen lassen als die, welche wir tatsächlich zu sehen bekommen. Die von Budgetproblemen geplagte Produktion, Kürzungen des internationalen Verleihers Paramount, Fritz Langs spätere Flucht aus Deutschland und die mangelhafte Präservation des hochempfindlichen Originalnegativs machen die hier vorliegende Version des Films, trotz einer um 30 Minuten kürzeren Laufzeit im Vergleich zur 1927er Premierenfassung, zu einer filmrestauratorischen Meisterleistung.





Bild:
Transit Film präsentiert Metropolis - Deluxe Edition in der 2001 für die Berlinale restaurierten Fassung. Abgesehen von vereinzelten Sprüngen im Bild, die sich durch den Verlust weniger Einzelbilder erklären lassen, ist die hier vorliegende Version makellos. Selbst Szenen, die durch jahrelangen Zerfall beinahe als verloren galten, wurden hier Dank sensibel eingesetzter digitaler Manipulation in ihren Originalzustand zurückversetzt. Das Bild besitzt eine reiche Graupalette, welche die viel zu kontrastreich tiefschwarz/grellweißen Versionen früherer Tage weit hinter sich lässt. Die neu produzierten Texttafeln fügen sich angenehm in den Film ein.

Ton:
Der Film wird begleitet von der vom Rundfunkorchester Saarbrücken neu eingespielten Originalmusik Gottfried Huppertz’ in 5.1 Surround und Stereo. Beide Tonspuren klingen kristallklar und geben den Score ohne viel Surround-Schnickschnack wider.

Untertitel:
Untertitel stehen zur Verfügung in deutsch, englisch, französisch, spanisch und italienisch.

Extras:
Ein hervorragender Audiokommentar von Enno Patalas ist das bedeutendste Bonus Feature. Der Fall Metropolis beleuchtet in einer Dreiviertelstunde die Entstehungsgeschichte des Films und Martin Koerber präsentiert ein 10-minütiges Feature zur Restauration des Klassikers. Darüber hinaus gibt’s Biographien zu Stab und Besetzung und eine umfangreiche Photogallerie. Besonders lobend möchte ich die Tatsache erwähnen, dass das gesamte Bonusmaterial auch englisch synchronisiert bzw. untertitelt auf dem DVD-Set zu finden ist. Besonders cool für all diejenigen, die auch des Deutschen nicht mächtige Freunde in den Genuss des Films kommen lassen möchten.

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Auf einer Skala von Hervorragend – Sehr gut – Gut – Okay – Mäßig – Schlecht
Film: Hervorragend (aber viel schwerer Pathos!)
Bild: Hervorragend (1.33:1 Full Screen)
Ton: Hervorragend (DD 5.1; stereo)
Extras: Sehr gut (Audiokommentar von Enno Patalas, Dokumentationen zu Film & Restaurierung, Fotogallerien u.v.m.)