Samstag, 14. Juli 2012

Bad Boy Bubby (AUS 1993) DVD Review

Was macht eigentlich Rolf de Heer? Da rotzt uns der australisch-niederländische Filmemacher anfang der 90er - in dieser Blütezeit des Independentfilms - einen der schönsten, dreckigsten und berührendsten Streifen aller Zeiten hin, gewinnt mal eben in Venedig einen Goldenen Löwen, und verschwindet danach (fast) in der Bedeutungslosigkeit. Zwar treibt er sich immer noch auf den bedeutendsten Filmfestivals der Erde herum und sammelt fleißig Preise ein (zuletzt für sein großartiges Abenteuerdrama Ten Canoes), doch hat keines seiner Werke je das Renomée und emotional auszehrende Qualität seines Debütfilms Bad Boy Bubby erreicht.

Quelle: www.bildstoerung.tv

Die Ausgangssituation des Films ist so simpel wie faszinierend wie erschreckend wie pervers: Bubby (Nicholas Hope), ein Mann um die 30, lebt mit seiner Mutter (Claire Benito) in einem heruntergekommenen Ein-Zimmer-Appartment. Bubby hat die vier Wände seines Heims Gefängnis nie verlassen. Indem sie eine Gasmaske vor Verlassen der Wohnung aufzieht und ihrem Sohn regelmäßig im wahrsten Sinne des Wortes den Atem nimmt, suggeriert ihm seine Mutter, dass er außerhalb der ihm vertrauten Umgebung ersticken würde. Regelmäßig missbraucht sie Bubby körperlich und psychisch. Noch unerträglicher wird die Situation, als eines Tages ein fremder Mann (Ralph Cotterill) in das verkorkste Leben des ungewöhnlichen Mutter-Sohn-Gespanns tritt, der sich als Bubbys Vater entpuppt. Als die Lage für den Sohn unerträglich und gar lebensbedrohlich wird, gelingt Bubby eine unkonventionelle Flucht in die Freiheit. Doch erweist es sich als nicht unproblematisch, als erwachsener Mann mit dem Verstand eines Dreijährigen durch die Welt dort draußen zu kommen. Und ist die Welt vorbereitet auf Bubby?

Bad Boy Bubby ist der ultimative Debütfilm: dort, wo ein etablierter Filmemacher aufhören würde, weil es die Grenzen des guten Geschmacks und political correctness verbieten, macht Rolf de Heer einfach weiter. Wo in einem konventionellen Drama alles auf ein Ende hinauslaufen würde, in dem das irre und irrende Mannkind Bubby auf den Pfad der Tugend, Aufklärung und Erlösung finden würde, bleibt der Autor-Regisseur seiner persönlichen Überzeugung und seinem infantilen Protagonisten treu. Friss oder stirb. Die Welt und alle Menschen darin, deren Wege sich mit denen Bubbys kreuzen, müssen sich mit dem Außenseiter auseinandersetzen; ihn ins Herz schließen oder ausspucken. Eine weitere Alternative gibt es nicht, denn Bad Boy Bubby folgt keiner klassischen Erzählstruktur, die uns weismachen will, dass man einen von Geburt an über Jahrzehnte seelisch geschundenen Menschen jemals wieder in gängige gesellschaftliche Normen wird pressen können.

Seine ebenso verstörende wie bewegende Geschichte verpackt de Heer in großartige Cinemascope-Bilder, quasi als visueller Gegenpol zu den überwiegend klaustrophobischen und kargen Schauplätzen des Films. Seine Kamera macht auch aus kleinen Momenten großes Kino und unterstreicht die Isolation und das spätere Chaos, in dem Bubby herum stolpert. Wie ein endlos großes Schlachtfeld wirkt die kleine Gefängniswohnung, nachdem Bubby und seine Eltern dort gewütet und alles auseinander genommen haben. Bedrückend sind die Szenen, in der wir unseren Antihelden dabei beobachten, wie er sich seiner Unfähigkeit bewusst wird, ein geliebtes menschliches Wesen oder Tier vor Trauer, Krankheit oder Tod zu bewahren.


Bis zur finalen Einstellung des Films, die man entweder als sentimental-hoffnungsvollen Ausblick oder als in seiner Überzeichnung bitterbös ironischen Schlusspunkt betrachten kann, versteht weder Bubby die Welt noch verstehen wir Bubby gänzlich. Immer wieder werden amüsante Momente mit großer Tragik gebrochen, folgt auf eine neue Begegnung ein ebenso schneller Abschied. Die Handlung ist episodisch. Sie schlägt Haken, heißt neue Figuren willkommen und reißt Bubby nur Minuten später aus ihren Armen. Einerseits ist dies ein beinahe klassisches Problem von Independentfilmen wie Bad Boy Bubby, der über einen Zeitraum von mehreren Jahren produziert wurde und sich daher nicht den Luxus leisten kann, immer wieder auf die gleichen Darsteller zurück zu greifen. Andererseits kann man den konfusen Aufbau des Plots auch als Abbild von Bubbys Psyche betrachten. Immerhin betrachten wir alles durch seine Augen, weichen ihm niemals von der Seite. Und warum sollte man es dem Zuschauer einfach machen wenn es der titelgebende Protagonist so schwer hat?

Bad Boy Bubby ist uneingeschränkt zu empfehlen für alle am menschlichen Wahnsinn interessierten Filmfreunde, die sich an den teils expliziten Bildern (kein Film für Katzenfreunde!) und kleinen inszenatorischen Schwächen und narrativen Irrwegen nicht stören. Rolf de Heer und seinen furchtlosen Darstellern - und wenn ich sage furchtlos, dann meine ich furchtlos - Film ist ein faszinierendes Psychogramm; eine bitterböse Tragödie und lebensbejahende Komödie zugleich. Nicht jeder wird nach dem ersten Akt des Films noch den Wunsch verspüren, Bubby auf seinem weiteren Weg zu begleiten. Aber alle Mutigen unter euch, die die Reise wagen, wird der Film belohnen.



Die DVD für diese Rezension wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Bildstörung und ist bei Amazon und im gut sortierten Handel erhältlich.

Dienstag, 10. Juli 2012

Podcast #6 - Lieblings-Kindheitsfilme und süß-saure Nostalgie

Was ich euch kürzlich androhte, wird nun grausame akustische Wirklichkeit: Daniel und meine Wenigkeit sprechen in epischer Länge über unsere Kindheitserinnerungen an das Kino, Fernsehen und alles, was die heimische VHS-Sammlung in der 80ern hergab.  Und zu eurem Vergnügen haben wir das Ganze als MP3 für die Nachwelt verewigt. Juhuuu! Highlander, Star Wars, Bud Spencer, Terence Hill, Katastrophenfilme, gute (Disney) und schlechte Trickfilme (In der Arche ist der Wurm drin) - wir thematisieren fast alles, was unsere noch unverdorbenen Kinderseelen damals berührte.

Bei welchem Filmen und Serien trüben sich eure Äuglein in einem Anflug sentimentaler Nostalgie? Und was denkt ihr sonst so über unseren Podcast? Schreibt an patrick@bahnhofskino.com und lasst mich daran teilhaben. Großes MERCI wie immer für Intro, Outro und diverse Musikschnipsel an Dan-O @DanoSongs.com!

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Freitag, 29. Juni 2012

Podcast #5 - Die Goonies (USA 1985) & Im tiefen Tal der Superhexen (Beneath the Valley of the Ultra-Vixens, USA 1979)

Wir lieben unsere Hörer. Und wir wollen es allen Recht machen. Daher schenken wir euch (für umsonst!) diese Woche eine spielfilmlange und besonders schizophrene Episode unserer Show. Wir sprechen über The Goonies, dem einer von uns beiden wesentlich freundlicher gesinnt ist als der andere. Außerdem genehmigen wir uns im Anschluss Körbchengröße Doppel-D und wagen uns ins Tiefe Tal der Superhexen, das letzte große Werk des Sleaze-Auteurs Russ Meyer. Es wird heiß, dreckig und lustig. Wir klöppeln das ganze Kladderadatsch zusammen mit jeder Menge Off-Topic BlaBla über Rassismus im Opus Steven Spielbergs und das RTL-Nachtprogramm der frühen 90er Jahre.

Sexy, wirr, pervers - was denkt IHR über den Bahnhofskino Podcast? Bei Gefallen bitte fleißig teilen via Facebook, Twitter oder sonstwie... wir freuen uns, wenn ihr uns weiter empfehlt. Feedback bitte an patrick@bahnhofskino.com. Großes Danke wie immer für Intro, Outro und diverse Musikschnipsel an Dan-O @DanoSongs.com!


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Nostalgie kann trügerisch sein...

Momentan geistert die Kunde über eine bevorstehende Blu-Ray-Veröffentlichung (am 2. Oktober 2012 in den USA) durch das Internetz, die mich für einige Sekunden in Sorge um die geistige Gesundheit großer Teile der online-affinen Menschheit versetzte. (zwei Mal "Geist" im ersten Satz... meine Rhetorik schwächelt. Und ja, das "Netz" in "Internetz" ist Absicht. Lustig, oder?) Die Rede ist vom 1987er Cannon-Kiddietrash Masters of the Universe. Warum legt sich da plötzlich voller Sorge meine Stirn in Falten? Weil ich bereits vor meinem geistigen (schon wieder!) Auge die ellenlangen Threads in diversen Foren vor mir sah, in denen kleine und große Jungs ihre Liebe zu He-Man und Co. erklären, allen Dolph Lundgren-Verweigerern en detail erläutern, warum der dänische Hüne dem Van Damme oder dem Seagal überlegen ist (Sakrileg!), und dass "der He-Man Film" sowieso einer der tollsten Sci-Fi Abenteuerstreifen der der 80er Jahre ist.

Drew Struznan-Poster lassen jeden drittklassigen Film wie ein Meisterwerk aussehen. Woah! Quelle: impawards.com

Full Disclosure: Masters of the Universe ist uninspirierter Mainstream-Müll, erdacht von zynischen Produzenten, und diente einst lediglich dem Zweck, überteuerte Plastik-Actionfiguren zu verkaufen. Lundgren ist seiner Rolle als Retter des Universums zwar körperlich gewachsen, doch sein nicht vorhandenes Schauspieltalent nebst fragwürdigem Akzent pfuschen ihm ins Handwerk. Gwildor ist ein sehr unlustiger Sidekick, neben dem selbst Jar-Jar Binks aussieht wie der König der Komödianten. Alle weiteren Charaktere werden auf eine kümmerliche Charaktereigenschaft reduziert (der verfressene beste Kumpel Duncan, dessen eifersüchtige Tocher Teela, das dümmliche Teenie-Pärchen Monica Geller und Tom Paris, der zungeschnalzende aber ansonsten planlose Oberbösewicht Skeletor, und so weiter...) und inspirieren beim Betrachten des Films höchstens zum häufigen An-die-Stirn-packen-und-Kopf-schütteln. Zudem wurden durch einen simplen Plot-Twist große Teile der Handlung von He-Mans Heimatplaneten Eternia in ein US-Kleinstädtchen des Jahres 1987 verlegt. So spart man mal eben ein paar Millionen Dollar Budget für aufwendige Sets und sonstigem Bling-Bling. Wobei dies vielleicht nicht einmal sooo verkehrt ist, wenn man die gruselige Qualität der Spezialeffekte bedenkt. Noch mehr davon und mein Herz bliebe stehen. Zitat aus der Werbekampagne für Masters of the Universe: "It's the Star Wars of the 80s." Ha!

Hat einer von euch den Scherz bemerkt? Zunge schalzen. Skeletor. Skeletor = Skelett. Get it? GET IT?!? Ach, egal. vergesst es.

*seufz!*

Um den Bogen zurück zu meiner anfänglichen Befürchtung zu schlagen, dass jeder nostalgiebesoffene Mensch/Mann zwischen 25 und 40 jetzt aufgrund der Meldung über eine HD-Jubiläums-Edition (25th Anniversary Blu-Ray Special Edition) dieses Machwerks völlig ausrastet. Was ist geschehen? Nichts. Nada. Niente. Nothing. Die Welt dreht sich weiter, kundige Nerds freuen sich auf Indiana Jones und E.T. (1982) in HD und lassen He-Man und seine tumben Gesellen links liegen. Bisher wurden keine hysterischen Facebook-Postings, in spastischer Verzückung verfasste Blogbeiträhe und lauthälsige, episch lange Threads in Foren dazu gesichtet. Hurra! Ein Sieg der Schwarmintelligenz über die Schwarmdummheit. Und sowieso, wo endet die Nostalgie und geht über in Verblendung und Dummheit?

Um die letzte Frage zu beantworten und das Thema würdig zu beschließen: wir werden diesen kleinen gedanklichen Exkurs in Form einer Podcast zum Thema Nostalgie et cetera fortführen. In zwei Wochen in diesem Blog. Bis dahin... Adios!

Freitag, 22. Juni 2012

Podcast #4 - Videodrome (CAN 1983) & Blue Velvet (USA 1986)

Wir gucken tief in die Abgründe der menschlichen Seele und sprechen über zwei moderne Klassiker: Video-fucking-Drome von David Cronenberg und Blue Velvet von David fucking Lynch. Und was für ein Staraufgebot diese Woche: Isabella Rosselini, Dennis Fuck! Hopper, James Woods, Dean "Al" Stockwell, Debbie Harry und Nomi Malones Fuckbuddy-Agent aus Showgirls höchstpersönlich geben sich die Ehre. 70 Minuten exquisite akustische Unterhaltung mit einer Menge explicit language erwarten euch - und das meiste davon geht auf das Konto von Frank Booth. Also bestens geeignet für den Weg zur Arbeit und zurück, im Büro, oder zum Einschlafen.

Mögt ihr den Bahnhofskino Podcast? Dann bitte fleißig weiterempfehlen und teilen via Facebook, Twitter oder sonstwie... schreit es in die Welt hinaus! Feedback bitte an mail@bahnhofskino.com. Merci beaucoup für Intro, Outro und diverse Musikschnipsel an Dan-O @DanoSongs.com!



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