Sonntag, 14. Dezember 2008

Völlig losgelöst aus irgendeinem inhaltichen Kontext...

...und nur dazu da, um euch den Sonntag zu versüßen: ein psychotisch tanzender Ren Höek. Enjoy!


Dienstag, 9. Dezember 2008

Aussie Hell: THE PROPOSITION (2006)

Mit leichter Verspätung nun ein kurzer Blick auf eines DER Kinohighlight der vergangenen Jahre: The Proposition (welches in seiner Ozzi-Heimat bereits Ende 2005 premierte).


Der Gedanke, dass sich bisher kein deutscher Verleih für den zynischen Western aus dem Lande Oz gefunden hat, erstaunt mich doch sehr. Oder vielleicht auch nicht. Immerhin ist John Hillcoats auf einem Drehbuch von Rockbarde Nick Cave basierender Film eine höchst pessimistische und brutale Angelegenheit. Auf der Mission, seinen jüngeren Bruder aus den Klauen des erbarmungslosen Captain Stanley (Ray Winstone) zu retten, hinterlässt der wegen Vergewaltigung und Raubmord angeklagte Charlie (Guy Pearce) ein Blutbad im Outback. In kontrastreichen Bildern fangen Regisseur Hillcoat und sein Kameramann Benoît Delhomme die unerträgliche Hitze und den omnipräsente Geruch von Tod und Verwesung im australischen Outback des späten 19. Jahrhunderts ein. Caves Drehbuch ist dabei ein Musterbeispiel an wortkarger Effizienz. Alle Charaktere reden nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt und bewahren dadurch ihre Härte und rätselhafte Aura. Allein die wunderbare Emily Watson in der Rolle der Frau Captain Stanleys bringt kurzzeitlich auch etwas menschliche Wärme in den hitzigen Film. Doch auch sie muss in den finalen Momenten erkennen, das für Mitgefühl und Leidenschaft kein Platz ist in dieser Welt, in der allein ein Revolver und eine schnelle Hand über Leben und Tod entscheiden.


Bleibt zu hoffen, dass dieses mit Preisen überhäufte und prominent besetzte (u.a. mit Danny Huston, David Wenham und John Hurt in einer kleinen Paraderolle) Werk auch bald in Deutschland auf die Leinwände der Lichtspielhäuser gebracht wird. Das bisher im internationalen Kino nur eine Randexistenz führende Aussie Cinema hätte es dringend nötig und mit diesem wahren Meisterwerk auch sicherlich verdient.

Donnerstag, 6. März 2008

Cracker [Für alle Fälle Fitz] (1993-1995) - Kurzrezension

I smoke too much, I drink too much, I gamble too much... I am too much.



Cracker ist die beste Krimiserie der 90er Jahre, ach was, die beste Serie aller Zeiten. Immens erfolgreich während ihrer Erstausstrahlung in den Jahren 1993 bis 1995 auf ITV, hat sie in ihrer britischen Heimat alle bedeutenden Fernsehpreise abgeräumt und auch in Deutschland als Für alle Fälle Fitz eine treue Anhängerschaft gefunden (trotz typisch kuscheligen ZDF-Titels und unpopulärem Sendeplatz mitten in der Nacht von Sonntag auf Montag). Was erstaunt ist die Kompromisslosigkeit, mit welcher Cracker seine Protagonisten und den Norden Englands portraitiert. Manchester scheint nur so bevölkert von Psychopathen, Vergewaltigern, Serienmördern, Neonazis, Hooligans und pädophilen, religiösen Fundamentalisten. Noch schlimmer: unser titelgebender Antiheld, eindrucksvoll verkörpert von Robbie Coltrane, ist ein spielsüchtiger, alkoholkranker, ketterauchender Zyniker, der mit seiner Arroganz sowohl Kollegen wie auch Familie immer wieder vor den Kopf stößt. Ach ja, außerdem ist er ein brillanter Psychologe, dessen Unterstützung sich die Polizei in Manchester bei der Suche und Vernehmung Krimineller bedient.

Der Ton in Cracker ist ruppig. Vor allem die von Jimmy McGovern verfassten Episoden (er schrieb sechs der neun Fernsehfilme) zeigen zerbrochene, vielschichtige Charaktere in einer ebenso unerbittlichen Welt. Keiner der Kriminellen ist hier nur ein eindimensionaler Schurke mit Hang zu Mord und Totschlag. Die meist durch ihren Außenseiterstatus in Gewaltakte flüchtenden Mörder und Vergewaltiger haben eine Stimme und oft auch erstaunlich einleuchtende Gründe (aus ihrer Perspektive) für ihr Tun. Dr. Edward ‚Fitz’ Fitzgerald nimmt sich Zeit, diese Motive zu durchleuchten und den Wahnsinn hinter der oft unschuldig-naiven Fassade seines Gegenübers zu durchleuchten. Das prototypische Beispiel für Fitz’ Vorgehen ist die zweieinhalbstündige Doppelfolge To Be a Somebody: Der geschiedene, in einem aussichtlosen Job steckende Liverpool-Fan Albie (Robert Carlyle) verliert seinen Vater. Wut und Trauer über seine verzweifelte Lage entladen sich im Mord an einem indischen Kioskbesitzer. Albie entdeckt das Töten als kathartische Handlung und macht sich im Neonazi-Outfit daran, andere für sein persönliches Leid und die von einige Jahre zuvor im Fußball-Stadion von Hillsborough durch Randale und Polizeibrutalität ausgelöschten Leben von 96 Menschen im Stadion zu bestrafen. Im Gegensatz zum Gros der Kriminaldramas werden die Beweggründe Albies ernst genommen, das menschliche Drama niemals der Krimihandlung untergeordnet.


Zwar kennen wir in den meisten Folgen von Beginn an den Täter und folgen ihm/ihr/ihnen bei der Ausübung von Mord und Totschlag, doch büßt die Serie dabei nichts von ihrer Spannung ein. Am intensivsten wird es oft genau dann, wenn der Täter bereits geschnappt wurde und Fitz sich mit Witz, Intelligenz, Bosheit und Penetranz in die Seele des Kriminellen bohrt, um diesem die wahren Motive für sein Tun zu entlocken. Diese Segmente nehmen oft ein Drittel der Gesamtlaufzeit einer Episode in Anspruch und sind der hauptsächliche Aspekt, durch den sich Cracker wohltuend vom Krimi-Einheitsbrei abhebt. In der Verquickung von privatem Drama, hochspannenden Thriller-Stories und tiefschwarzen, hochintelligenten Humor liegt der Triumph der Serie begründet. Zudem werden selbst Figuren an der Peripherie niemals zu Stichwortgebern oder Witzfiguren degradiert (ein Negativmerkmal der ansonsten wunderbaren und Cracker beinahe ebenbürtigen HBO-Serie The Sopranos).

Es gäbe noch soviel mehr zu lobpreisen (beispielsweise die starken Frauenrollen, verkörpert von Barbara Flynn als Fitz' Gattin und Geraldine Somerville als DS "Panhandle"), aber am besten erfährt man Cracker wohl selbst. Herausragende Darsteller, starkes Drama, spannende Krimihandlungen und nicht zuletzt die vielen unerwarteten Wendungen machen die Serie zu einem die Intelligenz der Zuschauer fordernden TV-Erlebnis, das bis zum Ende der finalen Episode immer wieder überrascht.


Die drei Staffeln von Cracker - Für alle Falle Fitz sind überall im Handel auf DVD erhältlich

Montag, 18. Februar 2008

Mit dem Zweiten sieht man älter (aus), oder: Bildungsauftrag à la ZDF

Eine kleine Ergänzung zum sehr treffenden Kommentar von Jens Jessen in der ZEIT vom 14. Februar hinsichtlich des immer boulevardesker (sprich: dem Privatfernsehen immer ähnlicher) werdenden Programm von ARD und ZDF und der zunehmenden Ghettoisierung anspruchsvoller Sendungen in öffentlich-rechtlichen Spartenkanälen wie 3sat und Arte. Inwiefern unser täglich TV-Brot tatsächlich immer weniger nahrhaft (sprich: dümmer) wird oder es nicht etwa schon immer war, darüber kann man streiten. Mal ehrlich, ist die einst biedere Unterhaltung à la Am laufenden Band oder Was bin ich? den lauten Trash-Formaten wie Schlag den Raab und Deutschland sucht den Superstar wirklich überlegen oder einfach nur eine andere Form des gleichen Übels, die wir heute retrospektiv als Unterhaltungsprodukte der guten alten Zeit nostalgisch verklären? Natürlich nicht, doch erfreut sich der Themenkomplex "Früher war alles besser" seit Jahrzehnten ungebrochener Popularität, auch schön zu erkennen an der glücklicherwese langsam abebbenden "Ostalgie"-Welle, aktuellen Debatten um fette Kinder (slim is the new fat!) und der derzeitige Besessenheit junger Hollywoodfilmer mit Stilmitteln des 80er-Jahre-Kinos.

Was Herr Jessen in seinem klugen ZEIT-Beitrag aber tatsächlich vergessen hat, ist, dass nicht nur Menschen mit einem IQ über Raumtemperaturniveau unbeschadet die großen öffentlich-rechtlichen Kanäle gucken möchten, sondern auch wir "jungen Hüpfer" unter 60. Vor allem das ZDF macht sich einer Programmplanung schuldig, die für ein ansatzweise gebildetes Publikum unterhalb des Rentenalters kaum zu konsumieren ist. Reihen wie Das kleine Fernsehspiel und das bereits wohlwollend von mir kritisierte Talkformat Roche+Scobel sind wochentags erst nach Mitternacht aufzufinden und/oder werden nicht konsequent fortgesetzt.


(AP Photo/Tiergarten Nürnberg, Ralf Schedlbauer)
Was uns bleibt, ist ein Start in den Tag mit dem biederen Fernsehfrühstück Volle Kanne, randvoll gepackt mit Verbrauchertipps für Hunde-, Blumenliebhaber und geriatrisch Erkrankte. Danach grüßt die ach-sooooo-niedliche "Flocke" aus dem Nürnberger Zoo und strahlen uns die Botoxbacken einer Daily Soap aus dem TV-Kasten an, bevor es dann mit der 173ten Kochshow nach VOX- und Jamie Oliver-Muster weitergeht. Ach ja, zur Mittagszeit gibt's außerdem ein weiteres Mal Volle Kanne, nennt sich aber nun Drehscheibe Deutschland und hat einen anderen Moderator. Nachmittags wiederholt sich das Spiel mit Tiersendungen und täglichen Schmonzetten, doch -welch Freude!- diesmal brandaktuell und nicht etwa in der Wiederholung wie zuvor. Es folgen anrührende Schicksale kleiner Nilpferdbabys und Dramen um eingerissene Fingernägel von C-Promis bei Charityveranstaltungen im hippen Boulevardmagazin Leute heute. Über die Zeit bis zum Beginn von heute, die mittlerweile mehr Werbeplattform für im Programm nachfolgende ZDF-Formate wie WiSo und 37Grad ist denn seriöse Nachrichtensendung, retten uns die gestandenen Recken der SoKo Leipzig, SoKo Rhein-Main, SoKo Kitzbühel, SoKo Wismar oder SoKo Kleinhinterspiekendorf. Je nach Stimmung und Wochentag gönnt man dem gebeutelten GEZ-Zahler dann abends entweder Carmen Nebel, eine unglaublich bewegende Pilcher- oder Lindström-Verfilmung, das Forsthaus-Falkenau, unseren Charlie oder ein anderes süüüüüüüßes Tier aus dem ZDF-Fundus, die im Urlaub von ihrem Kurschatten geneppte Omi in Aktenzeichen XY ...ungelöst oder aber hochseriöses Infotainment aus den Händen von Guido Knopp (Hitlers vegetarische Lieblingsrezepte) oder Theo Koll (Klassisches Frontal21-Thema: "Warum Sie als Mensch über 50 am besten gar nicht mehr Ihr Haus verlassen sollten... den die Welt da draußen ist B-Ö-S-E!"). Ins Bettlein bringt uns dann JBK, der, wenn er denn gerade nicht mit den Charmegranaten Sarah Wiener oder Johann Lafer kocht, bestimmt gerade mal wieder unglaublich fesselnde Stories aus Dieter Bohlen, Verona Poth oder Sky Dumont herausquetscht.

Liebe ZDF-Programmplaner, macht weiter so... ich bin sicher, Millionen volkstümelnder aber ansonsten soziophober Senioren danken euch für diese wöchentlich 168 Stunden leicht verdaulicher TV-Monotonie. Aber bitte, lieber Markus Schächter, klicken Sie doch bitte mal auf den Link am Fußende dieser Seite und schicken mir eine eMail, denn ich würde Ihnen gerne meine Bankverbindung mitteilen, wohin Sie die von mir in den letzten zehn Jahren gezahlten Rundfunkgebühren überweisen können. Vielen Dank.

Freitag, 28. Dezember 2007

Freaks - Missgestaltete (USA 1932) - Review [R2]

Mit Olga Baclanova, Wallace Ford, Leila Hyams u.a.
Kamera: Merritt B. Gerstad
Buch: Willis Goldbeck und Leon Gordon, nach Tod Robbins’ Kurzgeschichte Spurs
Regie und Produktion: Tod Browning




Freaks beunruhigt in seiner authentischen Darstellung des Alltags in einem fahrenden Kuriositätenkabinett bzw. Wanderzirkus noch heute. Kaum vorzustellen kann man sich, was für ein Aufschrei durch die Reihen der Zuschauer und Kritiker ging, als Tod Brownings Film 1932 erstmals veröffentlicht wurde. War es vor über 70 Jahren Ekel und Abscheu, die in weniger politisch korrekten und von größerem Unwissen über soziale Randgruppen geprägten Zeiten ein großes Kinopublikum fernhielten, so ist es heute die ungeschminkte Fremdartigkeit und Frivolität, die das Werk wohl für immer zu einem dunklen, staubigen Platz in der Videothek Ihres Vertrauens verdammt. Wie viel schockierender und vielschichtiger Freaks in seiner 90-minütigen Originalfassung war, darüber können wir heute nur noch spekulieren. Was uns bleibt ist der einstündige Blick in eine fremde und doch so nahe Welt durch die Augen eines der begnadetsten Regisseure der Stummfilmära.

Nur der außergewöhnliche Erfolg von Universals Dracula (1931) mit Bela Lugosi und sein damit kurzzeitiger Status als Golden Boy des Horrorfilms machte es Browning möglich, seine Freakshow so kompromisslos in Szene zu setzen, dass sie selbst nach rigorosen Kürzungen durch M-G-M und dem nachträglich hinzugefügten, bemüht versöhnlichen Happy End, immer noch so verstörend wirkt. Der Effekt beruht vor allem auf dem beinahe dokumentarischen Charakter der ersten Hälfte des Films, in der uns eine Unzahl an menschlichen Kuriositäten vorgestellt werden, teils sensibel porträtiert und zuweilen nur auf Running Gags auf zwei (oder gar keinen) Beinen reduziert. Da gibt es Stecknadelkopf Schlitzi, den lebenden Torso Prinz Randian, die Vogelfrau Koo Koo, das wandelnde Skelett, Kleinwüchsige, eine bärtige Dame, siamesische Zwillinge und diverse Protagonisten, die an akutem Gliedmaßenmangel leiden. Browning setzt sie alle ins Rampenlicht, manche in anrührenden Momenten – wie beispielsweise Schlitzis Zusammentreffen mit Zirkusclown Phroso (Wallace Ford), der sie (bzw. ihn, denn Schlitzi ist im wahren Leben ein Mann) mit Komplimenten über ihr neues Kleid überhäuft – oder auch nur als pointierter Scherz am Rande, wie z.B. eine kurze Szene, in welcher der bärtigen Dame kurz nach der Geburt ihrer Tochter zu deren ausgeprägter Gesichtsbehaarung gratuliert wird. D’oh!


Der für einen Großteil der Laufzeit des Films in den Hintergrund gerückte Plot des Films dreht sich um den kleinwüchsigen Hans (Harry Earles) und dessen Liebe für die hochgewachsene Schönheit Cleopatra (Olga Baclanova), die sich zunächst nur über die Avancen ihres Verehrers lustig macht und ihn nach Erkenntnis seines einer Erbschaft entstammenden Reichtums um selbigen bringen will. Dazu schmiedet sie gemeinsam mit ihrem Liebhaber Roscoe (Roscoe Ates) den Plan, den kleinen Mann zu ehelichen und ihn kurz darauf mittels Gift zu ermorden, sein Vermögen abzusahnen und dem Zirkusleben damit endgültig Lebewohl zu sagen. Wie für einen Horrorfilm angemessen zieht sie diesen Plan natürlich nicht kühl-kalkuliert durch sondern legt sich immer wieder mit ihren missgestalteten Kollegen („Dirty, slimy… Freaks!“) an und trägt ihre maliziösen Motive wenig verborgen zur Schau. Als auch der Letzte aus der Gruppe der "Freaks" ihre wahren Absichten durchschaut hat, nehmen die Deformierten grausame Rache.

Weniger als der für das Horrorgenre eher typische Plot ist die Machart des Films. Der Verzicht auf gruselig-monströses Makeup und Hollywoodstars zugunsten eines pseudo-realistischen Dokumentationsstils bietet einen ungeschönten Einblick in den realen Alltag von Randexistenzen unserer Gesellschaft, die sich trotz oder gerade aufgrund körperlicher Behinderungen in ihrem Alltag behaupten können und in ihrer eigenen kleinen Welt des Browning’schen Zirkus menschlicher handeln als ihre makellosen Zeitgenossen. Egal ob im Alltagsleben oder während des expressionistisch inszenierten Heiratsbanketts, es sind immer die augenscheinlich normalen Menschen, die sich als die wahren Monster in Brownings düsterer Fabel entpuppen. Cleo und Roscoe flüchten sich in überbordende Gehässigkeit und theatralische Gesten während ihre missgestalteten Mitmenschen in ihrem Handeln ungekünstelt und damit verletzlich erscheinen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das authentische Spiel der „Freaks“, die überwiegend Amateure sind und weniger eine Rolle spielen als vielmehr sich selbst. Schauspielprofis wie das reizende Zwillingspaar Daisy und Violet und der beinlose Johnny Eck sind die Ausnahme in einem Ensemble, in dem viele Darbietungen erstaunlich authentisch wirken. Insbesondere die Gruppe der an Mikrocephalie leidenden Pinheads um Schlitzi ist immer wieder erstaunlich in ihrer Zurschaustellung von offensichtlich realer Angst, Freude und Wut.


Dass Browning das Zirkusleben teils schamlos exhibitionistisch porträtiert und sich einer trügerisch dokumentarischen Erzählweise bedient ist moralisch sicherlich fragwürdig, damals wie heute. Ähnlich fragwürdig ist auch der Entschluss der M-G-M-Studiobosse, dem bitterbösen Ende des Films einen Epilog zu verpassen, der die Rachehandlungen der Missgestalteten indirekt verurteilt. Puristen dürfen ohne Gewissensbisse die letzten zwei Minuten des Films übersehen, da sie lediglich den verzweifelten Versuch damaliger Sittenwächter und um Einspielergebnisse besorgter Produzenten widerspiegeln, aus einem erschreckend perfiden, nihilistischen Genrefilm ein glatt gebügeltes Stück Kommerzkino zu kreieren. Der Versuch misslang, das finanziell desaströse Abschneiden an den Kinokassen bereitete Brownings Karrierehoch ein abruptes Ende, und Freaks genießt auch heute noch in vielen Kreisen den Ruf eines verruchten, ethisch fragwürdigen Films. Nicht immer ein Sehgenuss, aber ein wichtiges Stück Hollywoodgeschichte, das in keiner gut sortierten Filmbibliothek fehlen sollte.

P.S.: Anscheinend bestehen bis zum heutigen Tag Bedenken über die filmhistorische Relevanz dieses Werks. Anders lässt sich die Umtaufe von Freaks in das politisch korrekte Missgestaltete im Rahmen der deutschen Veröffentlichung kaum erklären.


Bild:
Warner präsentiert Freaks in bestmöglicher Bildqualität. Abgesehen von kleinen Verunreinigungen und einigen Bildsprüngen ist der Transfer hervorragend. Der unnötige Epilog mit Hans und Frieda leidet unter zu hohem Kontrast und Unschärfe, ist aber die einzige Schwachstelle eines ansonsten visuell vorbildlich präsentierten Films.

Ton:Die einzige Tonspur ist der englischsprachige Originalsoundtrack in mono. Die Tonqualität ist überwiegend in Ordnung, klingt aber altersgemäß recht blechern und damit gelegentlich unverständlich. Der Griff zur Fernbedienung zwecks Aktivierung der Untertitel wird wohl kaum jemandem erspart bleiben.

Untertitel:
Untertitel stehen zur Verfügung in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Schwedisch, Türkisch, Griechisch, Portugiesisch, Tschechisch, Ungarisch, Holländisch, Arabisch und Bulgarisch. Alle Extras (mit Ausnahme des Audiokommentars) sind ebenfalls untertitelt.

Extras:Der nach Einführung des Production Codes im Jahre 1934 kreierte, moralinsaure Prolog des Films, der uns vor den Abnormitäten des Films warnen soll, ist ein interessantes Stück Zeitgeschichte. Gleiches gilt für die drei alternativen Schlusssequenzen, die von David Skal kommentiert werden. Der Filmhistoriker, dessen Tod Browning-Biographie Pflichtlektüre für alle Fans des klassischen Horrorfilms sein sollte, dominiert auch die knapp 70-minütige Doku The Sideshow Cinema, die außer der Produktionsgeschichte des Films kurze Biographien aller Hauptdarsteller und "Freaks" bietet. Sehr interessant, aber leider etwas langatmig und mit grauenhafter Zirkusmusik unterlegt. Der Audiokommentar Skals vermittelt beinahe identische Informationen zu Dreh und Darstellern ohne nervtötendes Endlosgedudel und ist daher eine gute Alternative zur Dokumentation.

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Auf einer Skala von Hervorragend – Sehr gut – Gut – Okay – Mäßig – Schlecht
Film: Hervorragend
Bild: Hervorragend (1.37:1 Full Screen)
Ton: gut (mono 1.0)
Extras: gut (Audiokommentar von David Skal, Dokumentation, Prolog, Epilog [mit Kommentar])