Posts mit dem Label Kontroverse werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Kontroverse werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 17. Januar 2012

Gute Remakes VS. schlechte Remakes

An dieser Stelle nur ein leicht diffuser Gedankengang, der mich während meiner heutigen Abendplanung (Verblendung von David Fincher im Kino ansehen) ereilte: sind die zahllosen Remakes der letzten Jahre - insbesondere solche von Horrorfilmen aus den 70er und 80er Jahren - nicht verschmerzbar, wenn es dieser Trend mit sich bringt, dass auch wirklich und tatsächlich und absolut legitime und im klassischen Sinne gute(!) Remakes in Hollywood gedreht werden? Kann man die Existenz neu aufgebratener Versionen von Nightmare on Elm Street, The Thing, Halloween, The Ring, My Bloody Valentine und demnächst gar Total Recall mit Colin fuckin' Farrell und Kate nothin' Beckinsale nicht durch den Trost kompensieren, den Werke wie das exzellente Coen Brothers-Remake True Grit (2010) oder Matt Reeves' ambitionierte Let the Right One In-Neuauflage Let Me In (2010) mit sich bringen?

Quelle: Overture Films

Meine wahrscheinlich unpopuläre Meinung zum Remake-Wahnsinn ist, dass 1. ein gutes Original auch ein noch so schlechtes Plagiat überlebt und weiterhin hohes Ansehen genießt. Und 2. kann ich mit der Existenz eines Dutzend grottenschlechter Copycats leben, solange nur eines davon so makellos wie 3:10 to Yuma Redux (2007, und circa zweieinhalb mal so gut wie das Original) oder die anderen zuvor genannten Streifen ist. Mein Appell an Hollywood: bitte produziert noch mehr durchdachte Remakes mittelmäßiger Originale. Und auch wenn die trashigen Neuauflagen mehr oder weniger alter Horrorklassiker niemandem weh tun: langsam reicht's. Wenn die Qualitätsstreifen der 70er und 80er abgegrast sind, droht uns am Ende sonst gar noch ein Troll 2-Reboot. Aaaaaaaaargh!


(P.S.: Ich schreibe nicht umsonst einige Filmtitel fett und andere nicht. Nur die Fetten sind die Netten, die Schmalen könnt ihr euch spa,äh,-ren)



Dienstag, 3. Januar 2012

Actually - die letzte Essay-Sammlung von Christopher Hitchens

Der große Querdenker Christopher Hitchens ging am 15. Dezember 2011 von uns. Völlig unbeeindruckt davon steht seit ein paar Tagen seine allerletzte Sammlung von Essays und Kritiken (in english!) in gut sortierten Buchhandlungen. Arguably ist mit gerade mal US$16 dermaßen spottbillig und mit gut 800 Seiten so fett, dass es sich eigentlich niemand leisten kann, dieses Buch nicht zu besitzen. Hitler, Oralsex, Nabokovs Lolita, der Afghanistankrieg... zu allem hat Hitchens seinen stets unterhaltsam-kontroversen Senf hinzuzugeben. Mein Lesetipp für den Start ins neue Jahr - notfalls einfach als verspätetes Weihnachtsgeschenk an sich selbst betrachten.

Quelle: Twelve Books
Die Autokorrektur meines Browsers will übrigens aus "Hitchens" immer "Hitzen" machen ...auch sehr sinnvoll.

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Top 10 Filme 2000 bis 2009 - zweiter und letzter Teil

Es folgt der abschließende Part Deux zu meinen Top 5 der letzten Woche. Here we go...

Oldboy (Südkorea 2003)


Quelle: Amazon UK

Park Chan-Wooks Rache-Actionspektakel kam gerade zur rechten Zeit. Am Vorabend hatte ich eines des beiden Matrix-Sequels (welches?!) im dicken Multiplexkino gesehen, welches nach jahrelangem Hype nicht nur mich maßlos enttäuschte. In einem HMV (mein damaliger Wohnort war Glasgow) entdeckte ich die Oldboy-DVD und erinnerte mich an den Tipp eines Kommilitonen, ich solle mir diesen Streifen doch bloß nicht entgehen lassen. Der Hoffnung auf einen guten Film war mir gut zehn britische Pfund wert und ich wurde nicht enttäuscht: Oldboy war und ist ein cineastischer Schlag in die Fresse und beweist, dass das Genre des Rachethrillers, welches man zuletzt im US-Kino der 60er und 70er Jahre in voller Blüte erleben durfte, noch voll im Saft steht. Ein brillanter Regisseur, ein furchtloser Schauspieler (Choi Min-Sik, einfach großartig!), das zynisch-verstörende Drehbuch und genug visuelle Einfälle für mindestens hundert konventionelle Actionthriller bescherten uns den besten und verstörendsten Thriller der 2000er und etablierten Südkorea als neue Heimat des Revenge Movie. Gratulation!


Synecdoche, New York (USA 2008)


Charlie Kaufman, Mastermind hinter den Drehbüchern zu Being John Malkovich (1999), Adaptation (2002) und Eternal Sunshine of the Spotless Mind (2004) ließ sich Zeit mit seinem Kinodebüt. Erst mit 50 Jahren besetzte er Philip Seymour Hoffman als Midlife Crisis-geplagten Theaterregisseur Caden Cotard, der inmitten eines immer größer und komplexer werdenden Theaterstücks sich selbst und die Menschen, mit denen er sein Leben teilt, verliert und wieder findet und verliert und wieder findet. Synecdoche, New York spielt genau wie Kaufmans andere Drehbücher mit doppelten narrativen Böden und schafft somit Geschichten, die einem immer wieder selbigen unter den Füßen wegreißen. Sein Regiedebüt ist die Perfektionierung dieser Erzählform, ein postmodernes Verwirrspiel epischen Ausmaßes und dabei doch ungewöhnlich berührend. Weniger ein Film als vielmehr ein Erlebnis, das man mehrfach erfahren muss, um es gänzlich zu erfassen.


Dancer in the Dark (SWE/F/UK/D/DEN 2000)




Lars von Triers schönster Film (bis Melancholia, 2011) und zudem der berührendste. Zwar hatte ich schon einige Jahre zuvor Hospital der Geister und Breaking the Waves (1996) im Nachtprogramm eines Dritten Programms gesehen, doch empfand ich erstere Serie eher als charmant-intellektuelle Fingerübung und letzteren Film als zu kalkuliert die Tränendrüsen bedrückend. Dancer in the Dark hingegen ist pures Gefühl ohne Zynismus, ein hochemotionaler Mix aus Musik, Schauspiel und einer Inszenierung, die dem Zuschauer kaum Platz zum Atmen lässt; ihm die Chance zur Flucht verwehrt. Meines Wissens nach auch der letzte Film, in dem von Trier seine Hauptdarstellerin und sich selbst seelisch bis an die Grenzen des Erträglichen aufrieb, um das Leiden seiner Protagonistin Björk, äh, Selma in Bilder zu fassen. Diese Hingabe spürt man in jeder Einstellung. Ein Film, der weh tut. Muss auch mal sein.


Startup.com (USA 2001)


Nach einem guten Jahrzehnt hat der Dokumentarfilm von Chris Hegedus und Jehan Noujaim nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil: Startup.com beweist, dass sich Geschichte endlos wiederholt. Die Entwicklung eines kleinen Online-Dienstleisters mit einer Handvoll Mitarbeitern zu einem hundert Millionen Dollar schweren Unternehmen und direkt danach in die Pleite innerhalb eines schockierend kurzen Zeitraums von weniger zwei Jahren klingt sehr nach einer Geschichte, die auch aus dem Jahr 2011  oder darüber hinaus stammen könnte. Lerneffekt garantiert. Und wem das alles zu trocken klingt, der sei mit dem Versprechen meinerseits beruhigt, dass Startup.com unglaublich unterhaltsam ist und letztendlich mehr über zwischenmenschliche Dynamiken aussagt als über die Entwicklung von Unternehmensumsätzen. Ich liebte Startup.com bereits, als ich noch Bücher über Mark Twain in der Uni wälzte und noch nicht einmal wusste, was "Dotcom-Crash" und "Startup" bedeuten. Zehn Jahre später gefällt mir Hegedus' und Noujaims visionärer Doku noch mehr. Dafür steht sie hier.


Ghost World (USA 2001)


Quelle: United Artists

Unglaublich gutes, sentimental-sarkastisch-witziges Coming-of-Age-Drama von Regisseur Terry Zwigoff (Crumb, 1994, ganz nebenbei der beste Dokumentarfilm der 90er Jahre). Vielleicht liegt es an ihm, vielleicht an der Vorlage von Dan Clowes, dass sich alle Charaktere in Ghost World wie alte, verschrobene Menschen verhalten, obwohl es sich überwiegend um Highschool-Mädels und Nerds um die 40 handelt. Der Film ist diesbezüglich wie eine bessere Version von Juno (2007) und ebenso gewöhnungsbedürftig insofern, dass sich niemand altersgemäß benimmt und die Leben der Filmfiguren überwiegend von Sinnsuche in alten Schellack-Platten und obskuren Sammlerobjekten bestimmt werden. Damit trifft das Werk aber zumindest genau meine Sensibilität, rührt und belustigt mich immer wieder zu Tränen. Dass Hauptdarstellerin Thora Birch und Zwigoff nach diesem Film nicht zu Weltstars wurden, betrachte ich mal als Unverschämtheit. Immerhin Scarlett Johansson hat es geschafft. Ungerechte Welt.



In Kürze: Runner-Ups aka Filme, die es fast(!) in meine 2000er Top 10 geschafft hätten und eigentlich(!) ebenso gut oder eben fast(!) so gut sind wie die oben genannten Streifen. Stay tuned!

Donnerstag, 4. November 2010

Salò, oder die 120 Tage von Sodom - Darf ich den überhaupt rezensieren?

Wenn es keine Gesetze mehr gäbe - wie weit würde ich gehen?

© flickR/TiVo_epaper

Pier Paolo Pasolinis letzter Film Salò beschäftigt sich mit der Macht in ihrer radikalsten Form: Der bedingungslosen Macht über Leben und Tod in einem Umfeld, in dem alle Gesetze aufgehoben sind. Der Film, eine lose Adaption des Sade-Romans Die 120 Tage von Sodom, darf als Reaktion des Filmemachers und Kommunisten Pasolini auf neofaschistische Tendenzen der frühen Siebziger (in Italien, Frankreich, Holland) verstanden werden. Aber das ist nicht die einzige Ebene, auf der Salò funktioniert. Denn Pasolini beabsichtigte mit seinem kontroversen Streifen gleichzeitig eine dezidierte, radikale Konsumkritik. Man wird kaum bestreiten können, dass ihm beides gelungen ist - weit über die Grenzen des Erträglichen hinaus.

Sehr weit.

Zu weit?

Die Mehrzahl der Menschen, die Salò kennen -ob jung oder alt, Männlein oder Weiblein- sagen von sich, sie können diesen Film beim besten Willen nicht ansehen. Ähnliches hört man ja oft genug, sei es über Hanekes Gute Laune-Kino à la  Funny Games oder Bennys Video, das Drogendrama Requiem for a Dream, oder Kubricks schröcklich prophetisch-psychödelischen A Clockwork Orange. Salò nun ist der erste Film, bei dem ich einsehe, dass er die Grenze dessen, was ein Zuschauer vertragen kann, tatsächlich überschreitet: Ob Ihr euch das diese derbe kinematische Festivität nun anseht oder auch nicht, bleibt natürlich euch überlassen. (*hüstel hüstel* ...da ich nicht über die Rechtslage informiert bin was indizierte Filme betrifft, möchte ich hier auch bloß nichts bewerben. HimmelherrgottjosefundmariaABER-NICHT-DOCH NIE UND NIMMER!!).

In ihrer Dialektik der Aufklärung entdeckten Horkheimer und Adorno das Wechselspiel zwischen faschistisch-mythischen Ideen und der (vermeintlichen) Rationalität der Aufklärung - sie entdeckten, quasi in Bezug auf den Faschismus wofür der Marquis de Sade steht: Die dunkle Seite der Aufklärung. Die Möglichkeit, sich mittels rationeller, selbstbezogener Ideen aller Werte und Normen zu entledigen. Salò oder die 120 Tage von Sodom ist die filmisch radikalste Umsetzung dieses Konzepts, die es je gegeben hat.


Demnächst in einem Programmkino in eurer Nähe. Kotztüte gibt es gratis dazu.